In Gottes Namen
Kopfhörer, die man ihm erlaubt hatte mitzunehmen, bewegte Kopf und Füße im Takt und spielte gelegentlich Schlagzeug auf dem kleinen Tisch vor sich. Er war ein typischer Südländer, gedrungen, mit kräftigem Torso, dunkel um die Augen, mit Unmengen von drahtigen schwarzen Locken. Die Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen, schien er vor sich hin zu summen. Man hatte ihm zwei Dosen Cola gebracht, und einmal war er auf dem Klo gewesen. Er hatte keinen Anwalt verlangt, und die Miranda-Rechte waren ihm noch nicht vorgelesen worden.
Burgos wartete seit gut einer Stunde. Riley hatte Zeit gefordert, damit die Polizei vor dem Verhör alle verfügbaren Informationen über den Verdächtigen auftreiben konnte. Außerdem war Mittagszeit, und er wollte, dass Burgos der Magen knurrte. Riley hätte ihn gerne noch länger schmoren lassen, aber alle drängten auf seine Vernehmung, zumal man ihn nur begrenzte Zeit festhalten konnte, ohne die Anwälte zu ihm vorzulassen. Schon bald würde die halbe Welt über Terry Burgos Bescheid wissen, und dann würde unausweichlich der eine oder andere Anwalt aufkreuzen.
Cops und Staatsanwälte gingen im Observationsraum ein und aus und begafften den Verdächtigen mit morbider Neugier. Im Revier herrschte eine mit Händen zu greifende Spannung, denn sie hatten ihren Mann bereits geschnappt, und das in einem Fall, wie ihn die Stadt noch nie zuvor erlebt hatte.
Burgos war kein unbeschriebenes Blatt. Vor zwei Jahren hatte man ihn wegen Verdachts auf Körperverletzung an einer jungen Frau festgenommen, doch die Anklage war fallen gelassen worden. Paul vermutete, dass die Frau nicht zur Anhörung erschienen war. Letztes Jahr dann eine Anzeige wegen sexuellen Tätlichkeiten, aber nachdem die Anklage auf leichte Köperverletzung heruntergehandelt worden war, hatte er nicht einsitzen müssen.
Elisha Danzinger war voriges Jahr, im November 1988, aufs Revier gekommen, um unter Eid Beschwerde gegen Terry Burgos zu erheben. Sie hatte zu Protokoll gegeben, Burgos hätte ihr auf dem Campus nachgestellt, sie verbal bedroht und eingeschüchtert. Die Polizei hatte Burgos festgenommen, ihn aber nicht weiter belangt. Es lag nichts vor, weswegen man ihn weiter strafrechtlich hätte verfolgen können. Paul wusste von den Mansbury-Sicherheitsleuten, dass Ellie im Januar dieses Jahres eine zivilrechtliche Schutzanordnung gegen Burgos erwirkt hatte, die nicht in den Polizeiakten auftauchte. Ihm war bei Strafe untersagt worden, sich Ellie auf mehr als zweihundert Meter zu nähern.
Burgos war sechsunddreißig, lebte allein und hatte zwei Jobs gehabt. Einen in Mansbury, wo er als Gärtner und Reinigungskraft ausgeholfen hatte, bis er im Februar gefeuert worden war. Außerdem arbeitete er noch immer bei einer Druckerei außerhalb des Campus, die einem Professor des Mansbury College namens Frankfort Albany gehörte.
Allgemein galt Terry Burgos als mäßig intelligent, eher ungebildet und introvertiert; auch in Sachen Körperhygiene erhielt er keine Bestnoten; er beschwerte sich nie und schien dem Leben eher unbeteiligt gegenüberzustehen. Es gab Gerüchte über eine schwere Kindheit in Marion Park, Anzeigen wegen ehelicher Gewalt im Elternhaus, schlechte Noten in der Schule; die Highschool hatte er ohne Abschlusszeugnis abgebrochen.
Joel Lightner starrte zusammen mit Paul durch den Einwegspiegel, während Burgos drinnen stumm auf den Tisch hämmerte. Lightner wippte auf den Zehenballen wie ein Reservespieler, der an der Auslinie auf das Einsatzzeichen seines Trainers wartet. »Wann legen wir los?«, fragte er.
»Haben wir die Fotos?«, fragte Riley zurück.
Lightner nickte und händigte Riley einen Ordner aus.
Tatsächlich gab es keinen Grund, länger zu warten. Wenn schon Burgos’ Nerven nicht blank lagen, was Riley bezweifelte, war er vielleicht wenigstens hungrig. Essensentzug zählte unter Staatsanwälten zu den üblichen Methoden, Verdächtige gefügiger zu machen.
Riley seufzte und dehnte seine Armmuskeln. »Fühlen Sie sich der Sache gewachsen, Detective?«
Lightner nickte knapp. »Marion Park ist nicht Mayberry. Ich bin kein Anfänger.«
Das traf zu. Die Kriminalstatistik von Marion Park reichte zwar längst nicht an die der Innenstadtbezirke heran, doch eine der bekannteren Gangs, die Columbus Street Cannibals, begann hier Fuß zu fassen.
»Trotzdem nehme ich gerne Ratschläge entgegen.«
»Okay.« Paul blickte erneut durch den Einwegspiegel. »Als Erstes – lassen Sie die Finger von
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