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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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nicht was aussuchen, wo’s gelegentlich auch mal
rundgeht?
    »Und Ihre Einführung hat wo stattgefunden?«
    »In Pittsburg, Pennsylvania, Sir.«
    Jetzt übernimmt eine Frau die Fragerei; ich habe vergessen,
von welchem Verein sie kommt. Sie studiert etwas auf ihrem
Datenarmband. »Rekrutin Walders, würden Sie uns bitte in
aller Kürze die wichtigsten Punkte Ihrer Dienstbeschreibung
nennen?«
    O-o.
    Ich sage: »Meine Dienstbeschreibung enthält eine
Belobigung und sieben Verweise.«
    Ihre Augenbrauen wandern nach oben. Miststück. »Sieben Verweise? In zehn Monaten? Wofür?«
    »Die Belobigung bekam ich für herausragende Leistungen
beim körperlichen Training«, sage ich, obwohl sie nicht
danach gefragt hat. »Die Verweise betrafen verschiedene
Verstöße gegen die Vorschriften des
Zivildienstes.«
    »Nennen Sie sie uns bitte, Rekrutin Walders.«
    »Jawohl, Madam.« Ich beherrsche mich; ich werde diese
Sache hinter mich bringen, wie es sich gehört, egal, was
passiert. »Drei für Überziehung des Zapfenstreiches,
zwei für das Belügen eines Vorgesetzten, einen für den
Beginn eines Faustkampfes während der offiziellen Ausbildung und
einen für ungehöriges Benehmen in Uniform.«
    »Zweimaliges Lügen?« Ihre Brauen gehen noch ein
Stückchen höher. Wenn sie wüßte, wie albern das
aussieht, würde sie es lassen. »Wobei haben Sie die
Unwahrheit gesagt? Schildern Sie uns die Umstände.«
    »Das erstemal wegen der Mißachtung des Zapfenstreiches.
Das zweitemal betraf die Ablieferung meiner Waffe an die
Rüstkammer.«
    Der Vorsitzende des Beirates mischt sich ein. »Wenn Sie
gestatten, Frau Doktor Janson… Rekrutin Walders, wenn ich Sie
recht verstehe, so hoffen Sie, dereinst in die reguläre Armee
einzutreten.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Ich habe in der Armee gedient, lange bevor Sie auch nur zwei
Zellen im Bauch Ihrer Mama waren.« Er lächelt; ich nicht.
Mein Herz schlägt zu heftig. Es ist nicht mehr so einfach, in
die reguläre Armee zu kommen. Mit all den modernen Waffen werden
nicht mehr so viele Soldaten gebraucht. Und so ist man
wählerisch bei der Rekrutierung. Wenn diese alten Scheißer
meine Chancen kaputtmachen…
    »Ihre sieben Verstöße, so harmlos sie in der
Terminologie der Zivildiensttruppe auch klingen mögen,
hören sich bei der regulären Armee ganz anders an:
unerlaubtes Entfernen von der Truppe. Sie haben im Zusammenhang mit
einem offiziellen Verweis einen Meineid geleistet. Sie haben einen
vorgesetzten Offizier tätlich angegriffen. Sie haben sich eines
im Militärdienst ungehörigen Verhaltens schuldig gemacht.
Und Sie haben eine im Staatseigentum befindliche Waffe Klasse III
gestohlen.«
    »Ich habe sie nicht gestohlen! Ich habe sie nach Beendigung
des Trainings nur nicht wieder abgegeben! Außerdem war es nur
eine Betäubungspistole!«
    Aber er donnert weiter, als hätte er mich nicht gehört.
»Nun, in der Armee würde ein jeder dieser Verweise die
Entlassung zur Folge haben! Ist Ihnen das klar, Rekrutin
Walders?«
    Wenn ich ja sage, nimmt er mich auseinander als
unzuverlässige Schlampe. Wenn ich nein sage, dann kann er ganz
leicht beweisen, daß das gelogen ist: aus den Aufzeichnungen
der Bibliothek am Stützpunkt Pittsburgh geht eindeutig hervor,
daß ich jede Datei über die reguläre Armee, derer ich
habhaft werden konnte, studiert habe – einschließlich der
Gründe für eine Entlassung. Also sage ich gar nichts, sitze
nur so aufrecht und reglos da, wie ich kann, und starre geradeaus.
Das allgemeine Schweigen zieht sich in die Länge, und dieser
verdammte Mistkerl denkt nicht daran, es zu beenden. Jetzt starren
alle Mooszähne auf ihre Armbänder – und lesen meine Dienstbeschreibung. Ich habe das Gefühl, gar nicht mehr
richtig atmen zu können. Gerade als ich glaube, das alles keine
Sekunde länger auszuhalten, geht die Tür auf.
    »Bitte um Verzeihung, wenn ich mich verspätet habe, Herr
Vorsitzender, meine Damen und Herren! Rekrutin Walders? Tut mir leid,
wenn ich Sie bei Ihrer Aussage unterbrochen habe. Ich hatte einen
kleinen Verkehrsunfall. Nein, nein, nichts von Bedeutung, alles ganz
harmlos.«
    Er ist jetzt der älteste der Anwesenden. An seiner linken
Hand hat er zwei Finger eingegipst. Ich hätte den Gips am
liebsten geküßt, denn alle vergessen mich und zeigen nur
Interesse für seinen Unfall. Mitfühlendes Murmeln, Fragen
über Fragen, Kopfschütteln. Schließlich wird der
Vorsitzende sauer, scheucht alle wieder an die Arbeit und stellt mir
meinen Retter vor. Diese

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