In guten wie in toten Tagen
allerdings noch gewickelt werden …«
Ihre Mutter nickte und nahm Tessi entgegen. »Komm her, du stinkendes Scheusal.«
»Da-a-a!« Tessi jauchzte vor Glück.
»Wenn meine Mutter nicht wäre, würde ich echt manchmal durchdrehen«, sagte Jacky, als die beiden weg waren. »Wollt ihr ein Bier?« Sie ging zu dem kleinen Kühlschrank und hatte drei Flaschen herausgeholt, bevor Vitali und Cara antworten konnten.
»Zum Wohlsein.« Sie reichte ihnen ihr Bier.
»Skål«, sagte Vitali.
»Nasdrowje heißt das«, korrigierte Jacky.
»Meinetwegen.«
»Ihr wollt also wissen, ob Tom mich geschwängert hat«, sagte Jacky. »Die Antwort ist nein. Ich hätte niemals einen Lehrer an mich rangelassen. Wisst ihr noch, wie ich damals drauf war? Tom gehörte für mich zur dunklen Seite der Macht. Er hat ja als Vertrauenslehrer ein paarmal versucht, mir ein Gespräch aufzudrängen. Mir Lösungsangebote und Auswege aufzuzeigen. Würg. Nee danke!«
»Wie kommst du darauf, dass ich …?«, begann Cara.
»Du hast schon mit Ronja, Julia und May gesprochen. Da bleiben nicht mehr viele auf der Liste. Hab mir gedacht, dass du früher oder später hier aufkreuzen würdest.« Sie hielt ihre Bierflasche schräg gegen das Licht und betrachtete nachdenklich den goldbraunen Inhalt. Dann sah sie Cara an. »Ronja hat mir alles erzählt. Ich hab immer vermutet, dass es einen Grund gibt, warum sie magersüchtig geworden ist. Aber dass sie mal mit Tom zusammen war, das wusste ich nicht. Das wusste keine von uns.«
»Ihr wisst überhaupt wenig voneinander. Obwohl ihr angeblich beste Freundinnen seid«, sagte Cara und überlegte einen Moment lang, ob sie Jacky von Viola erzählen sollte. Aber Vitali war schneller.
»Wir sind ja auch nicht wegen Cara hier«, sagte er. »Sondern meinetwegen.«
»Deinetwegen«, sagte Jacky. »Hast du jetzt erst gemerkt, wie sehr ich dir fehle?«
»Ich würde gerne wissen, was damals eigentlich los war. Warum du von mir weg bist.«
»Spinnst du?«, fragte Jacky. »Du hattest überhaupt keine Zeit mehr für mich, remember? Das Einzige, was dich interessiert hat, war Sergej.«
»Weil er mich brauchte.«
»Ich hab dich auch gebraucht. Ich hab rund um die Uhr gekifft und Pillen eingeworfen und bin fast von der Schule geflogen. Aber das hat dich total kaltgelassen.«
»Das ist doch nicht wahr, Jacky. Ich hab versucht, dir zu helfen.«
»Hast du nicht«, sagte Jacky. »Ist ja auch egal. Aber komm mir jetzt nicht damit, dass ich dich betrogen habe oder so.«
»Hast du Sergej auch gekannt?«, fragte Cara.
»Klar«, sagte Jacky und trank einen Schluck Bier und stellte die Flasche dann mit einem lauten Knall auf den Tisch neben dem Sofa, sodass das Bier überschäumte. »Wer damals Vitali kannte, kannte auch Sergej. Und umgekehrt.«
»Wir waren ziemlich eng«, sagte Vitali. »Hab ich ja erzählt.«
»Cara hat gedacht, dass ich Tessis Vater bin«, sagte er zu Jacky.
Sie lachte bitter. »Nee, Cara. Wieder ein Trugschluss. Vitali hat rechtzeitig den Absprung geschafft.«
»Wer ist es, Jacky?«, fragte Vitali. »Findest du nicht, dass ich das wissen sollte?«
»Kleiner Tipp«, sagte Jacky. »Wenn du Tessi das nächste Mal siehst, dann schau ihr einfach mal tief in die blauen Augen. Dann weißt du’s nämlich. Und zwar sofort.«
»Bitte was?«, fragte Cara. Und dann sah sie Vitalis bleiches Gesicht und begriff.
nachtgebet
komm schlaf
sei gnädig
komm zu mir
und erlöse mich
von den gespenstern
in meinem kopf
14
»Nein«, sagte Vitali tonlos. »Das ist nicht wahr.«
Jacky trank ihr Bier aus, dann ging sie zum Kühlschrank, holte sich eine neue Flasche und öffnete sie.
»Er hat mir mal Gras verkauft«, sagte sie. »So haben wir uns näher kennengelernt. Ist das nicht romantisch?«
»Du hast mich mit meinem besten Freund betrogen?«, fragte Vitali ungläubig.
»Ach komm, beruhig dich. Ich hab dich nicht betrogen, das hab ich gerade schon gesagt. Das mit dir und mir war vorbei. Wenn da überhaupt was war. Du hast mich doch gar nicht mehr zur Kenntnis genommen. Du hast gar nicht gemerkt, wie schlecht es mir ging. Vor lauter Sorgen um deinen Sergej.« Sie griff nach einer Packung Zigaretten, die oben auf dem Kühlschrank lag, schüttelte eine heraus und ging damit zum Fenster. »Am Anfang wollte ich dir eins auswischen. Ich wollte dir beweisen, dass er es nicht wert ist. Und dann war ich plötzlich verliebt. Und dann war ich schwanger.« Sie öffnete das Fenster, zündete ihre Zigarette an und blies
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