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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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Kälte oder Gleichgültigkeit gehalten hätte, sondern für ein übertriebenes, beinahe rein formelles Feingefühl. Schließlich hatte sie mir zugeredet, diese Reise zu unternehmen; sie hatte mich gehen lassen müssen, hatte mir die Flugtickets gekauft und für das Hotel bezahlt, spürte aber keinerlei Bedürfnis, alles erfahren zu wollen. Zugleich wollte sie mir zu verstehen geben, dass sie zuhörte, falls ich reden wollte, dass sie Fragen beantwortete, falls ich welche hatte, oder Rat gab, falls der gewünscht war. Der Mann, zu dem ich mich aufgemacht hatte, bedeutete ihr heute nichts mehr, doch bedeutete er mir vielleicht etwas, und sie wollte mir auch zu verstehen geben, dass sie dies wusste. Und natürlich tat ich das. Ich verstand sie nur zu gut. Als ich sie dort mit dem grau-roten Mohnschal sah, wusste ich, dass sie sich nicht im Mindesten dafür interessierte, was irgendwer über das sagen mochte, was sie vor langer Zeit vielleicht getan oder nicht getan hatte. Sie wusste ohne jeden Zweifel, dass sie sich vor niemandem zu rechtfertigen und einzig um mein Wohlbefinden zu kümmern hatte. Sie verhielt sich perfekt – sie war perfekt –, und auf der ganzen Rückfahrt nach Hause litt ich darunter, dass ich diese Perfektion aufgrund bloßer Behauptungen einer mir kaum bekannten Frau infrage gestellt hatte, einer Frau, die vor Jahren ihr Urteil über Mutter gefällt und auf die für solche Leute typische Art beschlossen hatte, sie für herzlos und egozentrisch zu halten. Ich hatte diese Verurteilung gespürt, sie aber keinen Moment lang akzeptiert, und fürchtete nun, dass Mutter etwas anderes denken könnte. Ich sorgte mich, sie könne erraten, welche Schlüsse aus dem, was ich Kate Thompson gesagt hatte, gezogen worden waren, und ängstigte mich plötzlich, sie damit verletzt zu haben. Ich wollte etwas sagen, wollte jeden möglichen Verdacht zerstreuen, doch auf der Fahrt nach Hause und dann, während der darauffolgenden stillen, leicht aschfahlen Tage der Bettruhe und Erholung, der Tage übertriebener Freundlichkeit und gegenseitiger Rücksichtnahme, die es nur allzu deutlich machten, dass etwas verschleiert wurde, nicht nur für den Augenblick, sondern für immer, in diesen Tagen also konnte ich mich nicht dazu durchringen, etwas zu sagen, bis schließlich so viel Zeit vergangen war, dass es nichts mehr zu sagen gab.
    Am vierten Tag hielt ich es im Haus nicht mehr aus und musste raus ins Freie. Anfänglich hatte sich Mutter nach meiner Rückkehr Sorgen um mich gemacht, doch ich glaube, sie hielt es für ein gutes Zeichen, dass ich an die frische Luft wollte. Außerdem hatte sie, obwohl die Bilder für die neue Ausstellung bereits auf dem Weg nach Oslo waren, viel zu viel zu tun, um auf den Gedanken zu kommen, dass ich mich nicht deshalb so oft außer Haus aufhielt, weil ich Heimweh nach den Wiesen und Birkenwäldchen gehabt hätte, sondern weil ich ihr eine Weile aus dem Weg gehen musste. Vielleicht ahnte sie es auch, ließ sich aber nichts anmerken, denn natürlich tat oder sagte sie möglichst nichts, was unangenehme Gefühle in mir wecken könnte. Nein, das war es nicht. Eigentlich will ich sagen, dass sie sorgsam darauf achtete, mir keine Gelegenheit zu geben, etwas zu tun oder zu sagen, das nicht sie, sondern mich verletzen könnte – denn sie hatte die Lage immer noch im Griff, sie hatte bereits bedacht und beschlossen, was getan werden musste, ganz unabhängig von dem, was sich nach meiner Abwesenheit zwischen uns entwickelte. Natürlich – und sie hatte recht, daran zweifelte ich keinen Moment – war ich das schwache Glied, die linkische Teenagerin, das ungeschickte Kind. All die Freundlichkeit und Fürsorge in jenen letzten Sommertagen drehte sich im Grunde nur um eines: Sie wollte nicht, dass ich einen Fehler machte und mich später darüber ärgerte. Und wie hätte ich das schlecht finden können? Das Letzte, was ich wollte, war ein bedeutungsschweres Gespräch über Arild Frederiksens Tod oder jene peinliche Stille, in der alles schiefläuft. Genau genommen wollte ich nur in Ruhe gelassen werden, da niemand merken sollte, Mutter am allerwenigsten, dass ich noch nicht von dem genesen war, was mir in jenen zwei, drei Tagen in England so zugesetzt hatte, fürchtete ich doch eine Weile, den Verstand zu verlieren; und auch wenn ich mich inzwischen besser fühlte, hatte ich immer noch Angst, ich könnte jeden Moment wieder jener Panik verfallen, die mich in der Kunstgalerie überkommen

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