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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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der Rezeption stand und den Hörer vom Ohr abhielt, damit die andere Person mithören konnte. Dann, als ich mir klar wurde, dass sie nicht vorhatte, mir zu antworten, und nur auf das wartete, was ich wohl als Nächstes sagen würde, legte ich auf.
    ***
    Es regnete die ganze Nacht. Bei meiner Rückkehr ins Hotel war ich so müde gewesen, dass ich trotz Brief und Françoise’ Lügen, trotz des Gefühls, verfolgt zu werden, trotz der nahezu panischen Angst, die mich erstmals vor dem Eingang zum Hotel und dann später, nur wenige Augenblicke nach dem Telefongespräch, überkommen hatte, trotz all dieser Widrigkeiten also war ich davon ausgegangen, gleich einschlafen zu können und vor dem Morgen nicht wieder aufzuwachen, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Ich ließ mir so viel Wasser wie nur möglich in die Wanne ein und rief zu Hause an, doch ging niemand an den Apparat, also zog ich die nassen Sachen aus und lag lang im heißen, dampfenden Wasser; dann streifte ich den dicken Frotteemantel aus dem Schrank über und bestellte beim Zimmerservice ein Steaksandwich, einen Cäsars Salat mit Hähnchenbrust – das Hauptgericht, nicht die Beilage – sowie eine große Schale Nachos mit dem Hot Salsa Dip, zusätzlich wollte ich noch Crème Brûlée und zum Abschluss die Käseplatte. Ich war wieder hungrig und hatte Lust, alles auf der Karte zu bestellen, den Burger mit einer Portion Pommes, den Truthahnbraten, das Baguette mit Brie und Cranberrys, den gedeckten Apfelkuchen mit Sahne und/oder Vanilleeis. Ich wollte alles essen und dann tagelang einfach nur schlafen, allein in meinem Zimmer, an der Tür das Schild » Bitte nicht stören«.
    Es dauerte zwanzig Minuten, bis der Kellner kam, und während er das Tablett auf den kleinen Tisch in der Ecke abstellte, war ihm anzusehen, wie sehr es ihn überraschte, nur eine Person im Zimmer vorzufinden. Allerdings sagte er kein Wort und legte bloß das Besteck aus. Ich wartete, bis er gegangen war, dann fing ich an zu essen. Ich aß drei-, viermal so viel wie an einem gewöhnlichen Abend, und ich aß alles auf. Sämtliche Nachos, auch den letzten Klecks Salsa, jeden Krümel Käse. Danach fühlte ich mich wieder ruhig, genau wie zuvor, als ich das Essen im Delikatessenladen gekauft hatte. Ich legte mich aufs Bett und schloss die Augen – und in den ersten Minuten meinte ich, langsam wegzudämmern. Ich war so müde. Still lag ich da und spürte, wie Arme und Beine ins Federbett sanken, wie die Gedanken zu verschwimmen begannen. Ich glaube, einige Sekunden lang habe ich sogar tatsächlich geschlafen, ehe etwas klick machte – in meinem Kopf, irgendwo im Zimmer oder weiter fort, das hätte ich nicht zu sagen vermocht –, und ich schlug die Augen erneut auf. Es war nichts, kein weiteres Geräusch, aber etwas hatte ich gehört, und ich versuchte, mich nicht weiter darum zu kümmern, da ich fürchtete, es wäre sonst zu spät und ich fände den Schlaf nicht wieder, der mich doch schon fast übermannt hatte – aber es ging nicht.
    Eine Weile lag ich noch wach, dann stand ich auf und trat ans Fenster. Der Garten vor dem Hotel war leer, nichts, nur Regen, der in einen Kreis orangerotes Straßenlicht fiel, einen Moment lang aber – einen flüchtigen Moment lang, nicht länger – meinte ich, im Park gegenüber jemanden zu sehen, ein Mädchen oder eine Frau, die das Gesicht in den Regen reckte, den Blick fest auf das Licht in meinem Fenster gerichtet. Nur einen Moment lang, und sobald sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich, dass ich mich irrte. Eine optische Täuschung, eine Spiegelung auf dem nassen Spielplatz. In Anbetracht meiner Müdigkeit war es verständlich, dass mir die Augen einen Streich spielten, und ich sah rasch ein, dass dort nichts war. Kurz blieb ich noch stehen und spürte, wie wach ich mich wieder fühlte, dann zwang ich mich, zurück ins Bett zu gehen, kroch diesmal unters Federbett und machte bis auf eine kleine Lampe in der Ecke alle Lichter aus, nur wusste ich, noch während ich dies tat, dass ich keinen Schlaf finden würde. Schlafen war jetzt unmöglich. Ich hatte keine Angst, war nicht besorgt und fühlte auch keine Panik mehr, aber ich konnte auch nicht zur Ruhe kommen, also lag ich stundenlang wach und wünschte mir, ich könnte einfach aufstehen und nach Hause fahren. Ich weiß nicht, wie spät es war, als ich endlich eindämmerte, aber es war sehr spät, und mir blieb nur ein kurzer, traumloser und leerer Schlaf.
    ***
    Am nächsten Morgen

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