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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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konnte es nicht fassen. Was hier geschah, war grotesk, und ich wollte etwas sagen, wollte ihn daran hindern, diesen verrückten Plan auszuführen, nur wusste ich nicht, wie. Außerdem ging ich immer noch davon aus, dass Maia sein Angebot ablehnen würde. Sie würde mitspielen, bis er was Dummes sagte, ihn dann auflaufen lassen und aller Welt beweisen, was für ein perverser alter Kerl er war – denn sicher war sie davon überzeugt, nahm an, dass er etwas von ihr wollte, das eine, das sie noch geben konnte, nun, da sie allein auf der Welt war, das eine, das sie vermutlich auch Martin Crosbie angeboten hatte. Sie konnte unmöglich wissen, wie falsch sie ihn einschätzte. Oder doch? Vielleicht wusste sie ganz genau, was er vorhatte, vielleicht genoss sie die Herausforderung. Vielleicht wollte die Huldra ihm zeigen, wie unverletzlich sie war. Vielleicht hatte sie auch vor, diesen alten Trottel zu verführen, so wie sie die anderen verführt hatte – zudem war ich mir nicht ganz sicher, ob Kyrre Opdahl wirklich ihrer Verführung widerstehen würde. Ich schämte mich für diesen Gedanken, doch angesichts dessen, was danach geschah, kann ich die Möglichkeit nicht ausschließen, dass mein Verdacht berechtigt war. Damals war es allerdings bloß ein vager Gedanke, der sich gewiss sofort verflüchtigte, wenn Maia diese bizarre Einladung mit einem Lächeln abtat.
    Nur das tat sie nicht. Ganz und gar nicht. Sie musterte ihn lang mit einer Mischung aus Misstrauen und Belustigung, dann wurden ihre Gesichtszüge weicher, und sie ging zu ihm und hakte sich behutsam bei ihm unter. » Also schön«, sagte sie. » Ich werde mir dieses warme Plätzchen ansehen.« Sie warf mir einen Blick zu, als hätten wir Mädchen uns verschworen, dann lachte sie. » Aber ich warne Sie«, sagte sie, » Sie haben ja keine Ahnung, worauf Sie sich einlassen.«
    Ich wandte mich Kyrre zu und sah ihm an, dass er ihrem Zauber widerstand. Er klammerte sich an irgendeinen Plan, den er in den letzten Tagen ausgeheckt hatte, seit jenem Augenblick, da er Maia aus unserem Haus hatte kommen sehen und beschloss, dass Mutter in Gefahr schwebte. Ich sah ihm an, dass er etwas vorhatte, und ich sah auch, dass sein verschlagener Plan für Maia so klar war wie für mich. Sie verzog das Gesicht zu einer Miene, von der sie wohl glaubte, sie sehe damit wie das einfältige, bedürftige Mädchen aus, für das Kyrre sie so offenkundig nicht hielt – doch verriet sich im dunklen Glitzern ihrer Augen ein Wissen, das mir Angst machte, Angst um Kyrre, sicher, aber auch um sie. Er tat, als wollte er ihr helfen, nur stellte er sich dabei nicht besonders geschickt an, nicht, weil er sich nicht gut zu verstellen wüsste, sondern weil ihm eigentlich egal war, ob sie ihm vertraute. Er wollte nur, dass sie mit ihm kam, fort von diesem Haus, fort von den einzigen Menschen auf der Welt, die er liebte. Ich wusste nicht, was er vorhatte – glaubte er wirklich, er konnte Mutter vor ihrer grimmigen Faszination mit dem Schatten bewahren, den sie in diesem verstörten Mädchen sah, jenen Schatten, von dem er entgegen aller Vernunft wusste, dass er die Huldra war? Falls er das tatsächlich glaubte, wie wollte er es anstellen? Ich erinnere mich heute nicht mehr, wie viel ich bereits damals vermutete und wie viel später dazukam, doch denke ich, selbst an jenem Tag, als man ihn noch von seinem Vorhaben hätte abbringen können, habe ich schon gewusst, dass er sie vernichten wollte. Noch schlimmer war nur, dass Maia dies auch wusste. Nicht eine Sekunde lang ließ sie sich täuschen, was hieß, dass Kyrres Plan für sie eine Herausforderung bedeutete, die sie bereitwillig annahm. Eine Herausforderung, die sie begrüßte. Sie meinte, stärker als Kyrre zu sein. Nein, sie wusste es, schließlich war sie die Huldra und er nur ein alter Mann.
    Ich erinnere mich nicht, wie viel ich von all dem damals glaubte, doch weiß ich, dass Kyrre nicht nur sich, sondern auch mich getäuscht hatte, denn ich hielt dieses Mädchen – das bei Licht besehen schließlich nur ein verlorenes, vielleicht gar missbrauchtes Kind ohne Zufluchtsort war – für die Huldra, sah Maia an und sah die Huldra, sah sie mit Kyrres Augen, machte sie durch ein Aufwallen willkürlicher Boshaftigkeit zu einer Gestalt aus einer seinen alten Geschichten, zu einer besessenen Kreatur, sei es nur vorübergehend oder dem Wesen nach. Maia war schon immer seltsam gewesen, und sie warf Fragen auf, die ich nicht beantworten konnte; sie war in

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