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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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Wahrheit den Tränen nahe war. Ein langer Augenblick verstrich, in dem sie offenbar ungewollte Gefühle unterdrückte. Ungewollte Gefühle von was? Von Trauer? Verrat? Enttäuschung darüber, dass sie einander nicht nähergestanden hatten? » Nun, ich schätze, an so etwas glauben Sie nicht«, sagte sie dann.
    » An was?«
    » Sie wissen schon. Astrologie. Solche Dinge.«
    Ich schüttelte den Kopf. » Nein.«
    Sie lachte leise. » Was ist? Was haben Sie denn geglaubt, wovon ich rede?«
    Ich gab keine Antwort – irgendwie fühlte ich mich ertappt, wusste aber nicht, warum –, und sie schien meine Verwirrung zu genießen. » Das Café ist gleich da drüben«, sagte sie, drehte sich um und ging voran. Sie war sich nun sicher, dass ich ihr folgen würde. » Es ist ganz nett. Und ich denke, nach der langen Reise wird Ihnen eine Tasse Kaffee gut tun.«
    ***
    Das Café war gar nicht nett. Es war nicht einmal ein richtiges Café, nur ein Stück des Hauptgangs, der abgetrennt und mit Tischen und Stühlen vollgestellt worden war, so dass man den Leuten zusehen konnte, wie sie kamen und gingen, während man Kaffee trank und überzuckerte Doughnuts aß: die Schwestern in Schwesterntracht, Betten schiebende Pfleger, Besucher mit einem Strauß Nelken oder einem Obstkorb. Der dünne, geschmacklose Kaffee wurde in einem Plastikbecher mit einem grellroten Logo serviert. Egal, ich war nicht zum Kaffeetrinken gekommen. Kate Thompson fand einen eher ruhigen Tisch in einer Ecke und setzte sich. » Drüben ist Milch, wenn Sie mögen«, sagte sie, und ich begriff, dass sie schon ein-, zweimal an diesem Tisch gesessen haben musste.
    Ich lehnte dankend ab. » Schwarz ist okay«, sagte ich und setzte mich ihr gegenüber. Die Tische waren klein und wackelig, und ich fand, dass wir zu eng beieinandersaßen, aber damit musste ich mich wohl abfinden. Immerhin war es hier ruhiger als im Wartebereich, und von dort, wo ich saß, konnte ich am anderen Ende des breiten, weißgrauen Flurs einen Flecken Grün sehen. Nach dem Regen der vergangenen Nacht waren die Bäume und Büsche noch nass, doch brach nun die Sonne durch die Wolken, und einen Moment lang glitzerte alles auf dieser hellen grünen Insel.
    » Nun«, sagte Kate mit dem Gebaren von jemandem, der gutmütig das Thema wechselt. Sie hatte ihren Ärger beiseitegeschoben und war nun, da sie mich hatte, wo sie mich haben wollte, bereit, einen neuen Anfang zu wagen. Wieder fragte ich mich, warum es ihr so viel bedeutete, über Arild Frederiksen zu reden. » Was heißt eigentlich Li v ?«
    » Wie bitte?«
    » Ihr Name«, sagte sie. » Er klingt, als hätte er eine Bedeutung. Fast wie das englische live oder so …«
    Ich schüttelte den Kopf. » Das ist nur ein Name.«
    » Also heißt Liv nicht leben auf Norwegisch?«, fragte sie – und einen Moment lang schien es, als forderte sie mich heraus oder stellte eine dieser Fangfragen, wie die Angeber in der Schule es so gern getan hatten. Sie lächelte. » Und ich habe gedacht, er würde leben bedeuten.«
    Ich winkte ab. » Ich glaube nicht, dass ich je darüber nachgedacht habe. Jedenfalls nicht so«, sagte ich. » Es ist nur ein Name. Müssen Namen denn etwas bedeuten?« Die Frage ärgerte mich. Eigentlich müsste sie doch merken, dass ich nicht mehr hier sein wollte. Schon vorhin, auf dem Flur, hatte ich nicht mehr hier sein wollen, aber jetzt standen die Dinge anders – und ich spürte, wie etwas Hässliches auf mich zukam. Eine Klarstellung vielleicht oder eine Rechtfertigung von irgendwas, das, soweit es mich anging, keiner Rechtfertigung bedurfte. Doch dann, als hätte sie meine Gedanken gelesen, änderte sie ihr Verhalten. Sie lehnte sich zurück und bedachte mich mit einem freundlichen, gar mitfühlenden Blick, einem Blick, der, so wie ich ihn verstand, viel zu offensichtlich auf die Trauer anspielte, die ich eigentlich an den Tag legen sollte, fast, als wollte er mir sagen, dass es nicht an ihr sei, meine vermeintliche Ruhe infrage zu stellen – und ich spürte, wie sie sich vorzustellen versuchte, dass ich keine herzlose, gefühllose Kreatur war, sondern meine Trauer aus irgendeinem unangebrachten Gefühl von Treue oder amour propre heraus nicht nur vor ihr, sondern auch vor mir selbst verbarg. » Tut mir leid«, sagte sie. » Aber ich weiß nicht, was Ihre Mutter Ihnen über ihn erzählt hat, deshalb frage ich lieber, damit ich nicht endlos etwas erzähle, was Sie bereits wissen …«
    » Sie hat mir gar nichts erzählt.«
    Das

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