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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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überraschte sie. Nicht nur die Tatsache als solche, sondern auch, dass ich so gelassen zugab, keine Ahnung zu haben, wer mein Vater war. Sie beugte sich vor und sah mir ins Gesicht. » Sie meinen, Sie haben gar nichts über ihn gewusst? Nicht, wer er war, was er getan hat …«
    Ich schüttelte den Kopf. » Bis Sie mir geschrieben haben, kannte ich nicht einmal seinen Namen«, sagte ich. » Und selbst da …«
    » Selbst da?«
    Ich lehnte mich zurück, wich von ihr weg. Ich wollte nicht, dass sie mich so prüfend musterte. » Selbst da«, fuhr ich fort, » wusste ich nicht, ob er wirklich derjenige war, der er Ihrer Behauptung nach sein sollte.«
    Sie biss sich auf die Lippen, so schockiert war sie von meinem Mangel an Gefühlen, den sie fraglos unnatürlich fand, schockiert und beleidigt – aber zugleich genoss sie die Situation. Alles, was sie über Mutter gedacht hatte, fand sie nun bestätigt. Vermutlich hatte sie Artikel über Angelika Rossdal gelesen, hatte über sie im Internet recherchiert; sie wird das Bild der kaltherzigen Einsiedlerin geliebt haben, der allein ihre Arbeit wichtig ist. Kate Thompson gehörte zu jener Sorte Mensch, die anderer Leute Schmerz auf sich nehmen und den Groll spüren, den diese selbst nicht spüren können, weil sie zu verletzt sind oder zu verblendet, und sicher war sie der Ansicht, dass Mutter Schuld an dem hatte, was immer auch vor all den Jahren geschehen sein mochte. O ja, bestimmt genoss sie diese Situation – selbst wenn ich heute glaube, dass ein Teil von ihr sich dagegen sträubte. Das heißt, ein gewissenhafter Teil von ihr versuchte ganz bewusst, nicht zu genießen, was ihr zu ihrer geheimen und etwas kleinmütigen Befriedigung gerade bestätigt worden war. » Und Ihre Mutter hat nie von ihm geredet?«, fragte sie.
    » Nein.«
    » Sie hat nie von der gemeinsamen Zeit in Oslo geredet?«
    » Nein.«
    » Wirklich nicht?«
    » Ich kann mir nicht denken, dass es darüber viel zu reden gab«, sagte ich. » Die Beziehung hat schließlich nicht lange gehalten …«
    » Aha, so viel hat sie Ihnen immerhin erzählt.«
    Ich schüttelte den Kopf. » Sie hat mir gar nichts erzählt«, sagte ich. » Sie hat all das hinter sich gelassen und ist jetzt glücklich dort, wo sie ist …«
    » Glücklich?«
    » Ja.«
    » Wie das?«
    » Wie bitte?«
    » Wie ist sie glücklich?«
    Wieder schüttelte ich den Kopf. Ich fand es beleidigend, dass so ein unfaires Urteil über Mutter gefällt wurde, doch hatte ich nicht vor, mich von Kate Thompson aus der Fassung bringen zu lassen. » Ich denke nicht«, sagte ich, » dass Sie das etwas angeht.«
    Sie presste die Lippen zusammen und sah mich lange nur an, ehe sie schließlich weitersprach: » Sie haben recht. Es geht mich nichts an. Sie aber sollte es etwas angehen.« Sie war jetzt sichtlich aufgebracht, nur hätte ich nicht sagen können, ob sie ernstlich verärgert war oder mir etwas vorspielte – mir ebenso wie sich selbst –, um nicht von einer privaten und vielleicht ein wenig beschämenden Trauer überwältigt zu werden, von der ich nichts mitbekommen sollte. » Er war Ihr Vater«, sagte sie. » Und deshalb geht es Sie etwas an. Sie können mir doch nicht erzählen, dass es in Ordnung war, ihn einfach auszulöschen … Dass es in Ordnung war, wie Sie beide einfach getan haben, als gäbe es ihn gar nicht …«
    Ich wehrte ab. » Niemand hat so getan als ob. Er hat uns verlassen, mehr nicht. Und er wurde vergessen …«
    » Er hat Sie verlassen?«
    » Ja.«
    » Hat Ihnen Ihre Mutter das erzählt?«
    » Ja.« Ich dachte kurz nach. Natürlich stimmte das nicht; Mutter hatte mir gar nichts erzählt. Ich hatte es nur vermutet, und wenn man alle Umstände bedachte, war es eine durchaus zulässige Vermutung. Ich schaute sie an. Sie beobachtete mich jetzt sehr genau, was mir unangenehm war, da ich wusste, sie versuchte, etwas in meinem Gesicht zu lesen, versuchte einen Weg durch das zu finden, was sie für ein Lügengespinst halten musste.
    Doch gleich darauf änderte sich etwas in ihrem Gesichtsausdruck, und sie lehnte sich erneut zurück. Etwas hatte sich gemeldet, eine private Erinnerung, eine halbbewusste Einsicht, und sie hörte auf, mich zu beobachten. Der Ärger legte sich. Jetzt war da nur noch – nicht gerade Trauer, aber etwas Ähnliches. Resignation vielleicht. Ein Gefühl, dass es sinnlos geworden war, mir zu erzählen, was sie wusste, nun, da Arild Frederiksen nicht mehr lebte. Sie hatte ihn geliebt, daran konnte es keinen Zweifel

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