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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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als würde es bald wieder regnen, aber das war mir egal. Ich wollte nach draußen, wollte fort von hier. » Ich denke …«
    Doch ehe ich weiterreden konnte, beugte Kate Thompson sich vor und unterbrach mich mit ihrer leisen, seltsam streitlustig klingenden Stimme. » Natürlich war er manchmal deprimiert«, sagte sie. » Das ist doch typisch für euch Skandinavier, oder nicht?« Sie dachte kurz nach, suchte nach dem richtigen Wort. » Ihr brütet so vor euch hin«, setzte sie hinzu, war damit aber nicht zufrieden, und ich merkte ihr an, dass sie über etwas reden wollte, das sie sich nicht ganz eingestehen, zugleich aber auch nicht einfach übergehen mochte. Sie wich wieder zurück und lächelte verständnisvoll, als verfiele ich gewiss in ähnliche Zustände, welche immer dies auch sein mochten. » Er war ein guter Mensch«, sagte sie erneut, » aber er hat viel mitgemacht und für seine Arbeit so oft das Leben riskiert, dass er müde geworden war. Außerdem machte es ihn unglücklich, dass sich nichts änderte. Er hat gern gesagt, man müsse weitermachen, könne nicht aufgeben, selbst wenn die Lage noch so hoffnungslos wirke, nur war er erschöpft.« Sie schaute mich an, um zu sehen, ob ich ihr folgte. Um zu sehen, ob ich auch verstand, von welcher Art Erschöpfung sie redete. » Und dann«, fuhr sie fort, » kam er plötzlich nach Hause. Er sagte nichts, machte keine Versprechungen. Er ging einfach ins Haus und sah sich all das Zeugs an, das er aus so vielen Ländern mitgebracht hatte, Schamanenmasken, Steinreliefs, alte Karten. Es war, als käme er nach Hause und begriffe mit einem Mal, dass sein Haus ein Museum geworden war …« Wieder sah sie mich an, nicht um sich zu vergewissern, dass ich ihr zuhörte, sondern um zu sehen, ob mich überhaupt interessierte, was sie zu sagen hatte. Denn wenn nicht, hatte ich diese Geschichte nicht verdient. Dann war ich nur eine von denen, die sich nicht änderten, die daheim blieben und fernsahen, während Wälder, Wiesen und Berghänge unwiderruflich vernichtet wurden. Obwohl ich eben noch fortgewollt hatte und ich Kate Thompson nicht sonderlich mochte, interessierte mich, was sie sagen wollte. Ich nahm an, sie hatte nur diese eine Geschichte zu erzählen, und selbst wenn sie noch nicht ganz bis dahin vorgedrungen war, wo es wirklich mitreißend, tragisch oder lebensbejahend wurde, spürte ich, dass gleich irgendwas dieser Art passieren würde. Irgendein entscheidender Moment, eine Wende stand unmittelbar bevor. Sie fürchtete nur, dass diese Wende, dieser Umschwung – wie wichtig er für sie auch sein mochte – mir nichts bedeutete.
    » Ja – er war ein guter Mann«, sagte sie noch einmal, merkte diesmal aber selbst, dass sie sich wiederholt, und verstummte. Ein, zwei Minuten saß sie still da und starrte in die Zuckerschale. Ich dachte, sie feile an ihrer Geschichte, suche den richtigen Weg zum bedeutsamen Detail, zum Handlungsstrang, der mich verstehen lassen würde, suche den Moment der Offenbarung, den Punkt, an dem sich alles änderte. Ich sah, dass das, was sie sagen wollte, ihr auf eine Weise wichtig war, die ich nicht annähernd verstand, also wartete ich. Doch nichts geschah. Ich bin mir sicher, sie hatte vorgehabt, mit ihrem Bericht fortzufahren, aber irgendwo inmitten ihrer Gedankenkette änderte sich etwas, weshalb sie entschied, mir den Rest der Geschichte nicht zu erzählen – zumindest noch nicht. Sie wollte mich warten lassen. Sie wollte, dass ich noch einmal wiederkam. Es war ein Spiel, das wusste sie, aber eines, das sie riskieren musste, da das Spiel zugleich ein Test war. Sie richtete sich auf und schaute mich an. » Nun. Ich habe lang genug geredet, und ich bin mir sicher, Sie sind …« Sie zuckte mit den Achseln. » Sicher sind Sie hungrig«, fuhr sie in einem Ton fort, der jeden Gedanken an Essen fremd und absurd wirken ließ. » Ich muss noch ein paar Dinge erledigen, aber vielleicht danach …« Sie zögerte, dann entschloss sie sich, mir zu trauen. » Vielleicht möchten Sie ja heute Abend zum Essen kommen.«
    Ich wollte nicht mit ihr zu Abend essen, konnte ihre Einladung aber auch nicht ausschlagen. Jedenfalls nicht direkt. Sie ließ mich gehen; wenn ich nicht zurückkam, könnte sie nichts dagegen tun, doch würde sie dann wissen, dass ich Arild Frederiksens Andenken nicht würdig war. Damals dachte ich, dass sie wahrscheinlich hoffte, ich käme zurück, auch wenn ein Teil von ihr anderer Ansicht war. Möglicherweise hatte sie alles

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