In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten
leer wie jener war, den ich gerade verlassen hatte , und dann in den Raum davor, in dem zwei Wärter, ein Mann mittleren Alters und eine junge Frau, vor einem der Gemälde standen und sich unterhielten. Sie drehten sich abrupt um, und mir wurde klar, dass ich störte – wohl eine heimliche Liebesgeschichte, auch wenn sie nicht zusammenzupassen schienen, der Mann in den Fünfzigern mit leichtem Bauchansatz, spröde aussehendem, rötlichem Haar und sehr blasser Haut, die Frau kaum älter als ich, das dichte, dunkle Haar aufgesteckt, so dass es ihren schlanken Hals entblößte und sie noch schlanker aussehen ließ. Sie passten nicht zusammen, nur war nicht zu übersehen, dass sie sich über etwas sehr Persönliches unterhalten hatten, was immer es auch gewesen sein mochte, etwas derart Privates, dass sie nie darüber geredet hätten, wären sie sich nicht sicher gewesen, allein zu sein. In dem Versuch, den peinlichen Moment zu überspielen, der aufgekommen war, weil ich ein Gespräch unterbrochen hatte, das der Mann gewiss für unangemessen hielt – er machte den Eindruck, verheiratet zu sein – tat er einen Schritt in meine Richtung. » Kann ich Ihnen helfen?«
Ich schüttelte den Kopf. » Nein, danke«, sagte ich. » Ich suche nur nach dem Café.«
Er lächelte. Es war ein überraschendes Lächeln, eines, das sein ganzes Gesicht erstrahlen ließ und das dieses unscheinbare Geschöpf, das er noch einen Augenblick zuvor gewesen zu sein schien, so vollkommen verwandelte, dass ich ahnen konnte, was das Mädchen in ihm zu sehen meinte. » Gehen Sie zurück in die Eingangshalle«, sagte er. » Wenden Sie sich vor dem Haupteingang nach links, und dann sehen Sie es schon direkt gegenüber der Garderobe.«
Ich nickte und warf einen Blick auf die junge Frau. Sie lächelte mich gleichfalls glücklich an, so als wollte sie mir zu verstehen geben, es mache ihr nichts aus, dass ich einige unbedeutende Sekunden lang in die Geschichte verwickelt gewesen war, die sie beide verband. » Danke«, sagte ich, wandte mich an den Mann und bedankte mich nochmals. Ohne den Grund dafür zu kennen, taten sie mir beide einen flüchtigen Moment lang leid, obwohl ich doch nichts Konkretes über sie wusste, und damit sie es nicht mitbekamen, drehte ich mich rasch um und ging zurück zum Eingang und hinaus auf die verregnete Straße, ohne einen Kaffee getrunken zu haben. In keinem der Säle, die ich durchlief, sah ich eine Menschenseele – und mit einiger Verblüffung begriff ich, dass ich, vom Dienstpersonal einmal abgesehen, tatsächlich einige Zeit allein in der Galerie gewesen war. Niemand hatte mich beobachtet. Ich hatte es mir nur eingebildet.
Doch selbst draußen, außerhalb der beengenden Räume der Galerie, wurde ich das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Ich blickte mich um. Aus einem großen Gebäude im Pseudotudorstil auf der anderen Straßenseite kamen gerade einige Männer, von denen sich einer oder zwei nach mir umdrehten und sich bestimmt fragten, warum ich allein im mittlerweile ziemlich heftigen Regen stand, also ging ich los, mit schnellen Schritten, ohne genau zu wissen, wohin. Ich schaute auf meine Armbanduhr. Schon vier – das überraschte mich, schien doch kaum eine Stunde vergangen zu sein, seit ich im Park gepicknickt hatte. Ich lief weiter, und mit jedem Schritt wurde der Regen heftiger. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Noch war es Tag, nur hing der dunkle Himmel so tief und färbte der Regen alles so grau, dass einige Läden bereits Licht machten. Die Straße war leer bis auf die Männer vor dem Tudorgebäude – eine Bar, wie mir jetzt auffiel – und einige Frauen mit Regenschirmen, die nach Hause eilten. Ich sah mich nach einem Taxistand um. Ich musste zurück ins Hotel, trocken werden. Mir fiel Kate Thompsons Einladung ein, aber ich hatte mich bereits entschieden, ihr nicht zu folgen, hatte, ohne weiter darüber nachzudenken, entschieden, dass ich Arild Frederiksens Sachen nicht wollte. Nein, ich wollte nur noch raus aus dem Regen und fort von diesem Gefühl, beobachtet zu werden – also riss ich mich zusammen und eilte zum anderen Ende der Straße, zu dem kleinen Delikatessenladen, den ich schon kannte. Falls ich kein Taxi fand, wollte ich den Mann, der mich heute Vormittag bedient hatte, nach dem Weg fragen. Er hatte freundlich gewirkt, und in diesem Augenblick brauchte ich jemanden, dem ich glaubte, vertrauen zu können. Inzwischen hatte ich die Galerie und die Tudorbar weit hinter mir gelassen,
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