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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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bis in mein Zimmer, dachte ich. Ich brauchte nur durch die Tür zu gehen.
    Schließlich trat ein Paar aus dem Hotel und verharrte einen Moment im Eingang, während der Mann sich bemühte, einen riesigen Regenschirm aufzuspannen, und die Frau mich von oben bis unten mit einer Miene musterte, die eher amüsiert als besorgt wirkte. Eigenartigerweise sah sie jener Frau ähnlich, die gerade erst, eine Viertelstunde zuvor, aus dem Taxi gestiegen war, und obwohl ich wusste, dass es nicht dieselbe Person sein konnte, kam es mir vor, als wären die beiden Frauen Schwestern. Sie sah den Mann an, der nun den Regenschirm über ihren Köpfen hielt, dann wieder mich. » Alles in Ordnung?«, fragte sie , und ihre Stimme klang genau wie die der anderen Frau. » Suchen Sie etwas?«
    Ich schüttelte den Kopf und rang mir ein Lächeln ab. » Entschuldigen Sie«, sagte ich. » Ich war nur ganz in Gedanken.«
    » Nun, Sie sollten lieber reingehen«, sagte die Frau. » Sie werden sonst noch klitschnass.«
    Ich nickte, aber das Paar hatte sich schon abgewandt. Der Mann sagte etwas, dann lachte die Frau, und ich wusste, sie lachten über mich, aber das war mir egal. Auch der Regen machte mir nichts mehr aus, trotzdem ging ich hinein, denn jetzt war der Bann gebrochen, der mich zurückgehalten hatte.
    Die Lobby war leer, dennoch konnte ich eine Frau hören, vielleicht auch ein Mädchen, eine Stimme irgendwo in einem Hinterzimmer, das nur Personal betreten durfte. Ich fragte mich, ob Mutter während meiner Abwesenheit angerufen hatte, blieb aber nicht stehen, um es herauszufinden, da ich direkt auf mein Zimmer und die Tür hinter mir schließen wollte. Ich wollte raus aus den nassen Sachen und ein heißes Bad nehmen, mich aufs Bett legen und fernsehen, bis der Schlaf kam. Auf dem Weg zur Treppe aber tauchte die junge Frau, die bereits gestern Abend Dienst gehabt hatte, die Frau mit dem irisch klingenden Akzent, aus dem Hinterzimmer auf und sah mich. » Miss Rossdal?«, fragte sie. Ihre Stimme klang höher und heller als tags zuvor, ein Singsang fast, und als ich mich umdrehte, verriet ihr Gesichtsausdruck, dass sie gerade mit jemandem geredet hatte, der ihr nahestand, weshalb sie noch nicht recht zur höflichen Miene zurückgefunden hatte, die sie üblicherweise bei der Arbeit aufsetzte. Die ihr nahestehende Person war noch im Hinterzimmer; sie hatte sie in ebendiesem Moment verlassen – ein Freund vielleicht oder ein Kollege, der ihr gefiel, doch nahm ich ohne besonderen Grund an, dass es sich bei diesem Menschen um ihren Liebhaber handelte. Sobald sie merkte, dass ich ihr zuhörte, hob sie etwas vom Tisch hinter der Rezeption auf und gab es mir. Es war ein Umschlag. » Eine Nachricht für Sie.«
    » Aha«, sagte ich und nahm an, dass der Brief von Mutter kam – von wem sonst? Ich ging zurück zur Rezeption, um den Umschlag an mich zu nehmen, und sie gab ihn mir fast sofort, gestattete sich aber einen kurzen Augenblick des Zögerns, fast, als wollte sie mit mir spielen. Einen Scherz mit mir treiben. Sie lächelte – und ich meinte in diesem Lächeln eine Anspielung zu sehen, so als wüsste sie etwas über mich, das ich selbst nicht wusste, vielleicht aber auch, als wüsste sie etwas über den Inhalt des Briefes. Ich nahm ihn entgegen – er kam nicht von Mutter; es war ein versiegelter Umschlag mit meinem Namen und dem Namen des Hotels in Maschinenschrift. » Danke«, sagte ich, ohne auf ihr kleines Spiel einzugehen. Ich spürte ihre Komplizenschaft mit der Person im Hinterzimmer, als wäre die Finte mit dem Brief bloß um ihretwillen inszeniert worden, doch hatte ich nicht die geringste Absicht, mich auf das einzulassen, was sie beide im Sinn haben mochten.
    Das Gesicht des Mädchens wurde ernst, sobald sie zu ihrer förmlichen Haltung zurückfand. » Bitte sehr«, erwiderte sie und kehrte ohne ein weiteres Wort ins Hinterzimmer zurück.
    Erstens ist die Wüste das Land des Irrsinns. Zweitens ist sie die Zuflucht des Teufels, der verbannt wurde in die » Wildnis Oberägyptens«, um » zu wandern an ödem, verdorrtem Ort«. Durst treibt Menschen in den Wahn, und der Teufel selbst ist verrückt, weil ihn nach der verlorenen Vortrefflichkeit dürstet – verloren, weil er sich darin verschanzte und alles Übrige aussperrte. Folglich muss der Mensch, der hinaus in die Wüste wandert, um zu sich selbst zu finden, dafür Sorge tragen, dass er nicht irre und ein Diener dessen werde, der dort im leblosen Paradies der Leere und der Raserei

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