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In kalter Absicht

In kalter Absicht

Titel: In kalter Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Aksel nickte seinem Nachbarn kurz zu und hielt das Schwein hoch. Er legte den Kopf schräg und zuckte kurz mit den Schultern.
    » Kind of original, I guess. I like it.«
    Das Schwein war aus oxydiertem Kupfer, eine schlanke Sau, wie ein Hund auf vier gekreuzten Pfeilen kauernd, die die Himmelsrichtungen anzeigten. Aksel Seier hatte die Wettersau gegen einige bunte Netzmarkierungen eingetauscht. Die kleinen Bojen waren mit Wasser vollgesogen und unbrauchbar, brachten auf dem Souvenirmarkt aber noch immer einen guten Preis.
    » Could you please help me with this ladder, will you.«
    Matt Delaware hatte mächtig Übergewicht. Aksel hoffte, daß der weitaus jüngere Mann ihm nicht anbieten werde, an seiner Stelle den Wetterhahn gegen das Schwein auszutauschen. Endlich hatten sie die Leiter in Position gebracht.
    Matt schaute zur Leiter hoch. Er schlug leicht gegen eine Sprosse und schob sich die Baseballmütze in den Nacken. Aksel grunzte. Er setzte vorsichtig den Fuß auf die unterste Sprosse. Sie trug. Langsam kletterte er nach oben. Der Hahn war dermaßen verrostet, daß er abbrach, als Aksel ihn losschrauben wollte. Aber die Befestigungsschienen waren noch einwandfrei. Die Sau ließ sich sofort vom Wind zähmen, und danach brauchte Aksel nur noch einen Moment, um die Himmelsrichtungen zu justieren.
    » Awesome«, Matt grinste und schaute zur Sau hoch. » Just awesome, you know.«
    Aksel murmelte ein Danke. Matt legte die Leiter an ihren Platz. Aksel hörte ihn noch lange kichern, nachdem er schon außer Sichtweite und um die Ecke der O’Connors verschwunden war, die ihr Haus noch nicht für den Sommer geöffnet hatten.
    Irgendwer hatte in der Ocean Avenue angehalten. Aksel schaute mit mäßigem Interesse zu dem Ford hinüber. Darin saß eine Frau. In dieser Gegend war Parken verboten. Sie mußte zum Parkplatz an der Atlantic Avenue fahren, wie alle anderen auch. Sie hatte hier nichts zu suchen. Das war ganz klar, auch wenn er nicht genau wußte, woran er das sehen konnte. Die Sommersaison war die Hölle. Überall Großstädter, die mit dem Geld nur so um sich warfen. Sie glaubten, alles sei zu verkaufen.
    »Wenn der Preis nur stimmt«, hatte im Frühling der Immobilienhändler gesagt. » Name your price, Aksel.«
    Er wollte nicht verkaufen. Irgendein Bonze aus Boston hatte eine Million Dollar für das kleine Haus am Strand hinblättern wollen. Eine Million! Aksel schnaubte, als er daran dachte. Das Haus war klein, und er hatte kaum das Geld für die allernötigsten Reparaturen. Er machte fast alles selbst, aber auch das Material kostete. Und das galt genauso für Klempner und Elektriker. Im Winter hatte er eine neue Wasserleitung legen müssen. Die alte war undicht. Der Druck fiel so weit, daß aus dem Hahn in der Küche nur noch winzige Tropfen kamen, und das Wasserwerk drohte mit Klage, wenn er nichts unternahm. Als alles fertig und die Rechnung bezahlt war, hatte Aksel Seier noch sechsundfünfzig Dollar auf dem Konto gehabt.
    Eine Million!
    Der Bonze hätte das ganze Haus abgerissen. Ihm ging es um die Lage. Den Strand. Den privaten Strand. Mit dem Recht, Schilder mit der Aufschrift No trespassing und Police take notice aufzustellen. Aksel Seier hatte den Immobilienmakler vor die Tür gesetzt und sich weitere Besuche verbeten. Er brauchte zwar ab und zu ein paar hundert Dollar, aber das nur, wenn er sie selbst verdient hatte. Aksel hatte keine Ahnung, was er mit einer Million anfangen sollte.
    Er hatte sein Werkzeug weggeräumt. Die Frau im Ford saß noch immer da. Das störte ihn. Normalerweise verfiel er in dieser Jahreszeit in einen Zustand tiefer Nachsicht; sonst könnte er den Sommer kaum überleben. Aber bei dieser Frau war das anders. Sie schien ihn anzustarren. Ihr Wagen stand nicht so, daß sie von dort aus das Meer betrachten konnte. Sie war zu weit oben in der Straße. Und zu dicht bei der hohen Eiche, die sich über das Haus der Piccolas hinzog; in diesem Sommer würden sie etwas unternehmen müssen, den Baum fällen oder ihn auf jeden Fall energisch beschneiden. Die Äste hingen tief auf das Dach herab und zerschrammten die Schindeln. Bald würde das Dach undicht sein.
    Die Frau im Wagen interessierte sich nicht für das Meer. Sondern für Aksel Seier. Den durchfuhr eine uralte Angst. Er keuchte auf und fuhr herum. Dann lief er ins Haus und schloß die Tür ab, obwohl es noch nicht mal elf Uhr morgens war.
    Aksel Seier sah so aus, wie Inger Johanne sich ihn vorgestellt hatte. Kräftig und untersetzt.

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