In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05
anderen Seite«, erklärte sie. »Es wohnen noch zwei andere Männer dort: Billy und Joshua. Trauen dürfen Sie keinem von beiden. Sie sind schon ewig hier und gehören den Greers. In ungefähr einer Stunde bringt das Dienstmädchen, das auch kocht, Ihnen das Essen – nachdem Ellie gegessen hat und bevor wir an der Reihe sind.«
»Okay«, sagte er.
»Und Bobby wird früher oder später vorbeikommen, um sich ein Bild von Ihnen zu machen. Behalten Sie ihn gut im Auge, Reacher, denn er ist falsch wie eine Schlange.«
»Okay«, wiederholte er.
»Gut, dann also bis später.«
»Sie kommen erst mal zurecht?«
Sie nickte knapp und ging davon. Er sah ihr nach, bis sie um die Ecke des Pferdestalls verschwand; dann ging er weiter zum Eingang des Unterkunftsgebäudes.
5
Der Junge füllte eine ganze neue Seite in seiner Kladde. Die Männer an den Teleskopen riefen ihm Personenbeschreibungen und die genaue Abfolge der Ereignisse zu. Die Ankunft des Sheriffs, die Rückkehr der Bohnenfresserin und der Kleinen mit einem neuen Kerl im Schlepptau, wie das Mädchen im Pferdestall verschwand, wie die Dunkelhäutige und der neue Kerl das Haus betraten, ein längerer Zeitraum, in dem nichts passierte, dann das Auftauchen der Frau und des neuen
Kerls auf der Veranda, wie die beiden nebeneinander her über den Hof in Richtung Unterkunftsgebäude gingen und wie die Frau allein zurückkam.
»Wer ist er?«, fragte der Junge.
»Woher, zum Teufel, sollen wir das wissen?«, erwiderte einer der Männer.
Riesig, schwer, nicht gut gekleidet, Hemd und Hose, Alter schwer zu schätzen, notierte der Junge. Dann fügte er hinzu: Kein Cowboy, falsche Stiefel. Probleme?
Hinter dem Unterkunftsgebäude fiel das Gelände unvermittelt steil ab, sodass der Bau dort zweigeschossig war. Die riesigen Schiebetore im Untergeschoss ließen sich wegen tiefer Fahrspuren längst nicht mehr schließen. Hier unten standen ein weiterer Pick-up und drei grüne Traktoren. An der rechten Seitenwand führte eine Holztreppe ohne Handlauf zu einer rechteckigen Öffnung in der Decke hinauf. Reacher verbrachte ein paar Minuten damit, die hier parkenden Fahrzeuge zu begutachten. Vor dem Heckfenster des Pick-ups war eine Gewehrhalterung montiert. Die drückend heiße Luft roch nach Benzin, Diesel und Motorenöl.
Dann stieg er die Treppe hinauf und erreichte das Obergeschoss. Alles sichtbar verarbeitete Holz war rot gestrichen: Wände und Boden ebenso wie das Dachgebälk. Hier oben war die Luft noch heißer und stickiger. Keine Klimaanlage und nicht viel Durchzug. Am Ende des lang gestreckten Raums sah er einen abgetrennten Bereich, in dem er Waschraum und Toilette vermutete. Ansonsten bestand das Obergeschoss aus einem einzigen großen Raum mit sechzehn Betten, die sich in zwei Reihen gegenüberstanden: einfache Eisenbettgestelle mit dünnen gestreiften Matratzen, Nachttischen und einer Seekiste am Fußende.
Die beiden der Toilette am nächsten stehenden Betten waren belegt. Auf jedem Bett lag ein kleiner, drahtiger, halb bekleideter
Mann auf seiner Wolldecke. Beide Männer trugen Jeans, reich verzierte Stiefel und kein Hemd. Beide hielten ihre Hände hinter dem Kopf verschränkt. Als Reacher eintrat, wandten beide sich der Treppe zu, nahmen den ihm zugewandten Arm nach vorn, um den Neuankömmling besser betrachten zu können.
Reacher war vier Jahre in West Point und danach dreizehn Jahre in der Army gewesen, daher hatte er insgesamt siebzehn Jahre Erfahrung darin, in neue Schlafsäle zu kommen und von den Bewohnern angestarrt zu werden. Das war nichts, was ihn sonderlich störte. Für solche Fälle gab es eine bewährte Methode. Bewährte Verhaltensregeln. Am besten ging man einfach hinein, suchte sich ein freies Bett und sagte zunächst gar nichts. Man wartete darauf, dass jemand anders redete. So konnte man ihre Einstellung erkennen, bevor man die eigene preisgeben musste.
Er ging auf der Nordseite, die vermutlich kühler als die Südseite war, zum dritten Bett von der Treppe aus. In der Army hatte er einen schweren Seesack gehabt, den er als Symbol seiner Besitzergreifung immer aufs Bett warf. Auf dem Seesack hatten sein Name und sein Dienstgrad gestanden, und die Anzahl der Überschreibungen hatte ungefähre Hinweise auf seine militärische Karriere gegeben. Solche Gepäckstücke ersparten einem viele Erklärungen. Aber in dieser neuen Situation konnte er nicht viel mehr tun, als seine zusammenklappbare Zahnbürste aus der Tasche zu holen und ins Glas auf
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