In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05
hinterlassenen Spuren beseitigen, auch etwaige Fingerabdrücke.
Der zweite Mann hatte sich ebenfalls auf den Weg gemacht. Er war größer und schwerer und aschblond, aber keineswegs auffällig oder beeindruckend. Er reihte sich in Los Angeles ins abendliche Gedränge auf dem Flughafen ein und besorgte sich ein Ticket nach Atlanta. Dort vertauschte er seine Geldbörse mit einer der anderen fünf, die er in seinem Kabinengepäck mitführte, und kaufte als völlig anderer Mann ein weiteres Ticket nach Dallas-Fort Worth.
Die Frau reiste einen Tag später. Das war ihr Vorrecht, weil sie das Team führte. Sie war schon fast in mittlerem Alter, mittelgroß, mittelblond. Nichts Auffälliges an ihr, außer, dass sie davon lebte, auf Bestellung zu morden. Sie parkte ihr Auto auf dem Flughafen Los Angeles auf einem Platz für
Langzeitparker, was ungefährlich war, weil es auf ein Kleinkind zugelassen war, das vor dreißig Jahren in Pasadena an Masern starb. Sie fuhr mit einem Shuttlebus zum Terminal, benutzte für den Kauf ihres Tickets eine gefälschte Master-Card und wies bei der Sicherheitskontrolle einen echten New Yorker Führerschein mit Lichtbild vor. Sie ging etwa zur selben Zeit an Bord, als der Fahrer seinen zweiten Tag auf der Straße begann.
Nach seinem zweiten Tankstop am ersten Tag hatte er einen Abstecher in die Hügel New Mexicos gemacht und einen einsamen Rastplatz gefunden, auf dem er in der kühlen, frischen Bergluft im Staub hockte und die kalifornischen Kennzeichen des Wagens mit Nummernschildern aus Arizona vertauschte, die er aus dem schweren Koffer holte. Anschließend fuhr er noch etwa eine Stunde auf der Interstate, bevor er sich ein Motel suchte. Er zahlte bar, gab eine Adresse in Tuscon an und ließ den Angestellten an der Rezeption das Kennzeichen aus Arizona ins Anmeldeformular eintragen.
Er schlief sechs Stunden bei schwach eingestellter Klimaanlage und machte sich früh wieder auf den Weg. Erreichte am Abend des zweiten Tages den Flughafen Dallas-Fort Worth, auf dem er den Mietwagen auf einem Platz für Langzeitparker abstellte. Nahm seine Koffer und benutzte den Shuttlebus zum Abfluggebäude. Fuhr mit der Rolltreppe in den Ankunftsbereich hinunter und stellte sich am Hertz-Schalter an. Bei Hertz, weil dort Wagen der Marke Ford vermietet wurden und er einen Crown Victoria brauchte.
Den Leihwagen mietete er mit einem in Illinois ausgestellten Führerschein. Fuhr mit dem Bus zum Hertz-Parkplatz und fand seinen Wagen: einen unauffälligen Crown Vic in Stahlblau-Metallic, weder hell noch dunkel, der genau seinen Vorstellungen entsprach. Er wuchtete sein Gepäck in den Kofferraum und fuhr zu einem Motel in der Nähe des neuen Baseballstadions an der Straße von Fort Worth nach Dallas.
Dort legte er wieder den Führerschein aus Illinois vor, nahm sich ein Zimmer, aß eine Kleinigkeit und schlief ein paar Stunden. Er wachte früh auf und traf sich in der glühenden Morgenhitze mit seinen beiden Partnern vor dem Motel – genau in dem Augenblick, in dem Reacher über vierhundert Meilen entfernt in Lubbock den Daumen in die Luft reckte.
Die zweite Überraschung nach dem Auftauchen des Cops war die Tatsache, dass Reacher innerhalb von drei Minuten mitgenommen wurde. Er schwitzte nicht mal. Sein Hemd war noch trocken. Die dritte Überraschung war, dass der Wagen, der anhielt, von einer Frau gelenkt wurde. Die vierte und größte Überraschung war die Richtung, die ihre Unterhaltung nahm.
Er war seit fast fünfundzwanzig Jahren in mehr Ländern, als er ohne Nachdenken hätte aufzählen können, als Anhalter unterwegs, und drei Minuten waren ungefähr die kürzeste Wartezeit am Straßenrand, an die er sich erinnern konnte. Reisen per Anhalter war eine aussterbende Fortbewegungsart. Zu dieser Schlussfolgerung war er aus eigener Erfahrung gelangt. Berufskraftfahrer konnten Probleme mit ihrer Versicherung bekommen, und Privatleute waren ängstlicher geworden. Wer wusste schließlich, was für einen Psychopathen er da auflas? Und Reacher hatte ohnehin größere Schwierigkeiten als der durchschnittliche Anhalter, vor allem jetzt. Er war ein Hüne, einen Meter fünfundneunzig groß, mit Muskeln bepackt, gut hundertzehn Kilo schwer. Aus der Nähe betrachtet war er meist nicht sehr ordentlich gekleidet, meist unrasiert und ungekämmt. Das schreckte die Leute ab. Sie machten einen Bogen um ihn. Und jetzt hatte er auch noch eine frische Beule an der Stirn. Deshalb wunderten ihn die drei Minuten umso mehr.
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