In Liebe, Rachel
»Ist er da?«
»Ist Brad Pitt denn verrückt?« Maggie griff nach der obersten Zeitschrift. »Wann ist das denn passiert?« Sie schüttelte den Kopf. »Zuerst muss ich mich auf den neuesten Stand bringen. Geh doch in die Klinik! Dr. Mwami kann bestimmt Hilfe gebrauchen. Das letzte Mädchen, das
Ärzte ohne Grenzen
schickte, hat er zum Feuerholzholen verdonnert.«
Sarah hievte ihren mittlerweile etwas leichteren Seesack über die Schulter und ging durch die offene Tür zur Krankenstation. Sie folgte dem stärker werdenden Geruch nach Desinfektionsmittel und Bleiche, der sein Bestes tat, die weniger angenehmen Gerüche eines Raumes, in dem fiebernde Patienten lagen, zu überdecken. Der Raum selbst, ein großer offener Bereich, hatte einen eigenen Eingang. Sechs der acht Betten waren belegt. Auf einer Bank warteten Patienten geduldig auf Dr. Mwami, und vor der Klinik ging eine Frau unruhig auf und ab und hielt ihren geschwollenen Bauch. Offensichtlich war sie in den Wehen.
Sarah hörte Dr. Mwami hinter dem einzigen Vorhang.
»… ihr wisst doch, dass ihr niemals stehendes Wasser trinken sollt. Es ist schlechtes Wasser, voller Larven und Keime. Fließendes Wasser ist besser. Und doch passiert es immer wieder. Vergiss es nicht, Dieudonné, wenn du das nächste Mal beim Holzsammeln zu dem Teich gehst: Du darfst auf keinen Fall aus stehenden Gewässern trinken.«
Sarah ging um den Vorhang herum und sah, wie der dünne, schwache Junge mühsam nickte.
»Zwei pro Tag.« Dr. Mwami nahm eine Flasche von dem Regal beim Bett, überprüfte das Etikett und gab sie der Mutter, Inès, einer bezaubernden jungen Frau, die ihren Sohn »von Gott gegeben« genannt hatte, trotz der alles andere als liebevollen Art, auf die sie ihn empfangen hatte. »Zwei von diesen hier«, wiederholte Dr. Mwami, »eine bei Sonnenaufgang und eine bei Sonnenuntergang.
Comprenez?
«
Inès nickte.
»Du hast keine weiteren Kinder, nicht wahr? Dann nimm das Bett am Ende der Reihe, damit ich ihn beobachten kann. Vielleicht ist er in ein oder zwei Tagen wieder kräftig genug, um entlassen zu werden.« Dr. Mwami hob den Kopf. »Ah, Sarah, Sie sind zurück!«
»Ja.«
»Gut.« Dr. Mwami betätigte den Spender mit der antibakteriellen Lösung auf dem Nachttisch und rieb sich die Hände ein. »Das ist heute schon der elfte Fall von blutigem Durchfall. Aber die Tanks sind nicht die Ursache. Alle haben aus dem Kuhtümpel etwa einen Kilometer westlich des Camps getrunken.«
Sarah erstarrte. »Cholera?«
»Nein, aber deshalb sind noch sechs zur Beobachtung hier.« Dr. Mwami rieb energisch seine Hände, bis die Lösung eingezogen war. »Die anderen zwei Betten sind mit Frauen belegt, die niedergekommen sind. Ein drittes Baby ist gerade auf dem Weg« – die gebärende Frau schrie zur Untermalung seiner Worte laut auf –, »und wenn mein Bauchgefühl richtig ist, hat sich der kleine Claude da draußen wegen der idiotischen Idee, auf den Wassertank zu klettern, eine Rippe gebrochen.«
Sarah konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als Dr. Mwami fortfuhr, die Fälle aufzuzählen, als ob er in einem weißgekachelten Raum in einem städtischen Krankenhaus stünde und sie soeben ihre Schicht angetreten hätte. Sie nickte stumm zu seinen Worten, fühlte sich ein wenig benommen. Dann streifte sie ihre Umhängetasche ab, nahm den vertrauten fleckigen Laborkittel von einem Haken an der Wand und hängte stattdessen die Tasche dorthin.
»Zuerst nehmen Sie am besten Lynca ihrer Mutter ab – das schreiende Kind dort drüben. Die Wunde an ihrem Fuß muss mit einigen Stichen genäht werden, und dann braucht sie noch eine Tetanusspritze.«
Sarah zog den Kittel an, ging um den Vorhang herum und blickte auf die Bank mit den wartenden Patienten. Nachdem sie das weinende Mädchen ausgemacht hatte, brachte sie es hinter den Vorhang. Zuerst konnte sie weder einen Eimer noch ein sauberes Stück Stoff finden, nur die Seife war an ihrem angestammten Platz. Während sie ihre Ausrüstung zusammensuchte, spürte sie Dr. Mwamis leichte Ungeduld. Anschließend säuberte sie den Fuß des Mädchens, während der Arzt eine lange Nadel mit einem Faden versah. Dann hielt Sarah die Hand der Kleinen und erzählte ihr stockend Geschichten aus Amerika: über Hunde, die in Federbetten schliefen, und Maschinen, die den Dreck einsaugten, und Häuser, die kein Feuer brauchten, um warm zu bleiben.
Sobald Dr. Mwami die Wunde versorgt hatte, rief er den nächsten Patienten auf. Sarah
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