In Liebe, Rachel
ausgewählten Kindern ein Paket nach dem anderen auf und befahl ihnen in fließendem Kirundi, die Sachen sofort zum Lagerarzt zu bringen. »Sag Dr. Mwami, dass dies alle Salztabletten sind, die wir im Moment entbehren können. Aber bald kommt eine neue Lieferung«, fügte sie an Sarah gerichtet hinzu, während sie einem kleinen Mädchen ein kleineres Paket in die Arme legte.
»Für mich kommt auch noch eine Ladung mit dem Flugzeug.« Vor ihrem Abflug hatte Sarah einige Pakete mit alkoholgetränkten Tupfern, Verbandsmaterial, Infusionsschläuchen und anderer Grundausrüstung gepackt. »Vielleicht kann ich Sam …« – sie erstickte fast an dem Namen – »… oder jemand anderen aus dem Camp schicken, um alles auf einmal abzuholen«, brachte sie mühsam heraus.
»D’accord.«
Ninette umarmte sie, küsste sie auf beide Wangen und scheuchte dann die Kinder von dem Peugeot fort, während sie wieder auf den Fahrersitz kletterte. Sarah griff erneut in ihre Umhängetasche und lockte die Kinder mit weiteren Bonbons von dem alten Wagen fort. Die Horde folgten ihr so schnell, dass sie beinahe stürzte.
Sie eilte den Hügel hinauf, während die Kinder an ihrem Rock zogen, ihre Arme berührten, johlten und diese hohen Schreie ausstießen, die nur kleine Kinder fertigbrachten.
Miss Sarah Miss Sarah Miss Sarah Miss Sarah,
riefen sie mit erhobenen Händen, während sie jedem ein Bonbon in die Hand drückte. Die Zahl der Hände nahm nicht ab, ebenso wenig wie die sie umgebenden Gesichter, von denen sie die meisten erkannte: große, schlanke Tutsi-Mädchen, die breiten Wangenknochen eines Twa-Kindes –
Hast du endlich den Vorderzahn verloren, Shabani? Bist du das, Nàdege, die mit den vielen Haaren? Egide, hattest du schon deine Masernimpfung?
Der Schlamm saugte sich bei jedem Schritt an ihren Sandalen fest, drohte, sie ihr von den Füßen zu reißen.
Dann erschienen, angelockt von dem Lärm, die Frauen, kamen hinter den Türrahmen hervor, dunkle Gestalten vor den Zweig-und-Schlamm-Konstruktionen ihrer Flüchtlingsunterkünfte, oder erhoben sich von den Kochstellen, deren Rauch sich zwischen den Hütten kräuselte.
Sarah winkte Solange zu, deren Bauch angeschwollen war. Sie rief Raissa einen Gruß zu, während sie verstohlen ihre Kinder zählte und sich fragte, wo das kleinste war. Es war kurz vor Sarahs Abreise an Masern erkrankt.
Sie dachte auch an das junge Mädchen, das Mädchen mit den zwei schiefen Zöpfen, in die Holzperlen eingeflochten waren. Sie sah es nicht. Sicher hatte man es fortgeschickt, an einen Ort, an dem keine schlechten Erinnerungen wohnten.
»Miss Sarah, Sie sind wieder da!«
Sarah blickte über die Schulter zu einer Frau, die mit schweren Schritten den Hügel heraufkam und dabei ein Bündel Feuerholz auf dem Kopf balancierte.
»
Bonjour
, Safi«, sagte Sarah. »Wie geht es den Kindern?«
»Yvan hat sich verletzt, und Mamy hat schlechtes Wasser getrunken, aber den anderen geht es gut. Wie ist es dir ergangen?«
»Danke, gut.«
»Und deine Eltern? Ist bei ihnen alles in Ordnung?«
»Ja, Safi, danke der Nachfrage. Wie geht es denn deiner bezaubernden Mutter und deinem geachteten Vater?«
Sarah verteilte weiter Süßigkeiten, während sie mit Safi die gebotenen Morgengrüße austauschte. Nachdem Sarah auch nach Safis Tanten und Ziegen gefragt hatte, sagte Safi endlich:
»Bon«,
und kam mit einem verschmitzten Grinsen geradeheraus zum Punkt. »Versteckst du etwa einen amerikanischen Ehemann unter diesen ganzen Kindern?«
Sarah griff tief in ihre Umhängetasche, um die letzten Bonbons zusammenzusuchen, und verbarg ihr Gesicht dabei hinter ihren Haaren. Zweifellos hatte Dr. Mwami ihre plötzliche Abreise auf eine Art erklärt, die die Banyamulenge-Frauen verstanden: dass Sarah ihre Familie besuchte, die sie ohne Zweifel verheiraten würde, bevor sie zu alt war. Nach Tutsi-Maßstäben war sie die seltsamste Erscheinung überhaupt – eine Frau ohne Mann, weit weg von zu Hause.
»Wozu brauche ich denn einen Ehemann, wenn ich schon so viele Kinder habe?«
»Sag bloß, du bist allein zurückgekommen!« Safi blieb stehen, um das Bündel auf ihrem Kopf zurechtzurücken. »Die Männer deines Stammes müssen …« Sie machte eine abschätzige Handbewegung.
»Vielleicht konnte niemand den Brautpreis aufbringen«, sagte Sarah. »Mein Vater hat zu viele Kühe verlangt.«
Safi neigte den Kopf. »Es ist gut, einen Vater zu haben, der seine Tochter wertschätzt.«
»Es ist ein Segen, ja.«
»Aber
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