In Liebe, Rachel
anliegende Lederjacke und hautenge schwarze Jeans, die in schwarzen Stiefeln steckten. Ihr weißblondes Haar war mit Gel aufgestellt, und sie hatte eine Tasche von der Größe einer Kreditkarte bei sich.
»Mrs Marcum?«
»Ms«, verbesserte Jo.
»Nein, ich bin keine Miss. Sie können mich Greta nennen.«
»Greta?«
»Die Agentur hat mich geschickt.« Sie reichte Jo ein Stück Papier. »Wo ist die Kleine? Bringen Sie mich zu dem Kindchen.«
»Sie ist in ihrem Zimmer.« Jo trat zur Seite, und Greta spazierte energisch in die Wohnung. »Aber zuerst müssen wir beide uns unterhalten.«
»Wo ist das Kind? Ich will die Kleine kennenlernen. Ich muss mir doch ein Bild machen, wenn ich auf sie achtgeben soll.«
Jo brachte ein weiteres schmallippiges Lächeln zustande, als sie sich auf die Couch setzte und Gretas Papiere durchblätterte. »Wie ich sehe, waren Sie bei Ihrer letzten Stelle acht Jahre lang.«
»Ja. Zwei kleine Kindchen, nette jüdische Familie an der Upper East Side. Keine Disziplin in dem Haus.« Greta untersuchte den Stuhl misstrauisch auf Krümel und nahm dann vorsichtig am Rand der Sitzfläche Platz. Sie legte die kleine Handtasche im Schritt ihrer allzu eng sitzenden Hose ab. »Die Kinder waren wild, sehr wild.«
»Sind Sie deshalb gegangen?«
»O nein! Ich habe gekündigt, als Jason aufs College kam. An die Columbia University ist er gegangen, mein kleiner Schüler. Sie haben zwei Kinder?«
»Nur eins.«
»Oh! Einzelkinder sind problematisch. Haben niemanden zum Spielen und glauben, ich bin ihre Spielkameradin. Und wer ist das?«
Benito stellte ein Glas Milch und einen Teller mit Makkaroni mit Käse auf den Tisch. »Das Mittagessen«, sagte er, während er sich ein Geschirrtuch über die Schulter warf.
»Sie haben einen Koch?« Gretas Stirn legte sich in Falten, die an den Balg eines Akkordeons erinnerten. »Sie haben
ein
Kind und einen Koch?«
»Danke, Benito, ich werde Grace gleich holen …«
»Warten Sie nicht zu lange«, befahl Benito. »Das Essen hat genau
jetzt
die richtige Temperatur.«
Benito war der Souschef des
Poulet
, einem trendigen Restaurant in Soho, was ihm zwar eine Menge Prestige, aber wenig Geld einbrachte und außerdem seine Bereitschaft erklärte, Makkaroni mit Käse für einen Privatkunden zuzubereiten. Doch auch seine hochnäsige Art rührte daher. Jos Gesicht schmerzte bereits von all dem gezwungenen Lächeln.
»Und wer ist dieser andere Mann, der hier herumläuft?« Greta starrte den Hydranten und sein Maßband verärgert an. »Haben Sie die Handwerker da? Ich arbeite nicht in einem Haus, wo es staubt und gehämmert wird.« Sie tätschelte ihre üppige Oberweite. »Nicht gut für mein Asthma.«
»Die hier müssen sofort verschwinden.« Der Hydrant strich mit den Fingern durch die Flusskiesel in einer Schale auf dem Couchtisch. »Das Kind steckt sich einen davon in den Mund, atmet zu tief ein, und das war’s. Sie wird so blau, als hätte man sie in einen Müllsack gestopft, und ist sofort tot.«
Jo fuhr auf. »Ich hole Grace am besten mal zum Essen.«
Sie packte das Geländer – dessen Streben offensichtlich zu weit auseinanderstanden – und machte einen Satz nach oben.
Ich bin die Herrscherin des Universums. Ich befehle über zweiundzwanzig Angestellte. Darunter ist ein Kerl mit einer Phiole voll Blut um den Hals. Ein anderer praktiziert Wicca. Mindestens zwei meiner Angestellten sind Junge Republikaner. Die anderen sind reine Rettet-die-Seekuh-Liberale. Wir kommen alle gut miteinander aus. Die Vorstände großer Konzerne sind für die Organisation ihrer Büroweihnachtsfeiern, ihrer Produkteinführungen, ihrer PR -Kampagnen und ihrer internationalen Tagungen auf mich angewiesen. Ich kann das! Ich kann mein Leben und das von Grace am Laufen halten. Gleichzeitig.
Jo stieß die Tür zum Gästezimmer auf. »Hallo, Kleine, das Essen ist fertig.«
Gedämpftes graues Licht fiel durch die Streifen der hinuntergelassenen Jalousien. Nachdem sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, bemerkte Jo eine Art Fort in der Ecke des Raumes – ein Durcheinander aus Kleidung, Stühlen und Stricken. Erst als Grace ihren Kopf unter einem Ärmel hervorstreckte, erkannte Jo, dass dieses Fort aus ihrer frisch von der Wäscherei gelieferten Kleidung bestand.
Jo stockte der Atem beim Anblick eines verknoteten blauen Seidenrocks von Versace und des verknitterten Ärmels eines Ralph-Lauren-Blazers. »Gr … Grace«, stotterte sie, »was … was tust du da?«
»Ich
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