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In Liebe, Rachel

In Liebe, Rachel

Titel: In Liebe, Rachel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Higgins
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habe ein Fort gebaut.« Das Mädchen verbarg ein Auge hinter einem Moiré-Ärmel. »Ich wollte die Säcke benutzen, aber der Mann hat sie mir weggenommen.«
    Der Hydrant war schon hier gewesen! Ein Haufen Kleiderbügel und Plastikschutzhüllen ragte aus dem Mülleimer hervor. Die Schnüre der Jalousien waren hoch oben zu großen Schleifen gebunden.
    Warum hatte er nicht ihr Vera-Wang-Kleid gerettet?
    »Er hat gesagt, wenn ich das Plastikzeug nehme«, murmelte Grace, »werde ich wie ein kleiner Hund ersticken und tot sein.«
    Jo atmete tief durch und sagte sich, dass das kein Beinbruch war. Die Kleider konnte man bügeln. Man konnte sie noch mal reinigen und noch mal bügeln und sie noch mal in frische Schutzhüllen verpacken und sie dann in ihrem Schrank verstauen. Es war nicht Grace’ Schuld, sondern ihre eigene. Spielzeug für das Kind zu kaufen stand zwar auf ihrer Liste, aber erst für den Nachmittag.
    »Kümmere dich nicht um ihn«, sagte Jo und zwang sich zur Ruhe, »er versucht, die Wohnung sicherer zu machen.«
    »Stimmt es, dass ein Auge wirklich heraushüpfen kann? Denn der Mann hat gesagt, die Spitze eines Kleiderbügels …«
    »Nein, nein, hör gar nicht auf ihn! Meine Großmutter würde sagen, er erzählt nur Schauergeschichten. Los, es ist Zeit, das Fort zu verlassen, Kleine. Unten gibt es etwas zu essen …«
    »Keinen Hunger.«
    Wie immer. Sie hatte
nie
Hunger. Grace hatte seit ihrer Ankunft nicht mehr als einen Schokoriegel gegessen. Es zeichneten sich zwar verräterische Spuren um ihren Mund herum ab, die an Haferbrei erinnerten. Aber woher nur hatte sie Haferbrei? »Es gibt dein Lieblingsgericht« – laut Jessie – »Makkaroni mit Käse.«
    Grace zog sich in das Designerfort zurück. Weit zurück. So weit hinter Jos liebste schwarze Hose, dass Jo sich auf den Boden kauern musste, um das Mädchen zu sehen. Grace kniete auf einem regenbogenbunten Haufen aus Seidentops und ließ zwei schäbig aussehende Stofftiere miteinander reden, die währenddessen auf und ab hüpften. Das Kaninchen trug ein zerfranstes Band um den Kopf, der Bär hatte einen Riss am Nacken, aus dem kleine weiße Bällchen sickerten.
    »Na, komm schon, Grace!«, sagte Jo. »Ich werde deine Hilfe bei diesen Makkaroni mit Käse brauchen. Der Koch hat genug für General Lees ganze Armee gemacht.«
    »Teddy sagt, dass ich nicht nach unten gehen soll, weil es wie das letzte Mal sein wird.«
    »Wie war das letzte Mal?«
    »Das war an dem Tag, als Tante Jessie mir gesagt hat, dass Rachel weggegangen ist … als so viele Leute da waren.«
    Jo bemerkte verschiedene Dinge. Erstens: Grace sprach über die Beerdigung ihrer Mutter. Zweitens: Grace nannte ihre Mutter »Rachel«. Und drittens: Das Kind sprach durch einen ausgestopften Bär.
    Nun, Jo hatte genügend Zeit mit Krimiserien im Fernsehen verbracht, um zu erkennen, dass es sich um Bewältigungsstrategien handelte. Vielleicht konnte sie von diesen Schauspielern, die in die Rolle von Bezirksstaatsanwälten geschlüpft waren, ein paar Tricks übernehmen, wie man am besten mit trauernden Kindern umging.
    Jo ließ sich behutsam auf dem Boden nieder und achtete darauf, sich nicht auf die andere Hälfte des Ralph-Lauren-Anzugs zu setzen. Bewusst sah sie Grace nicht direkt an. »Das war ein Tag, nicht wahr? So viele Menschen im Haus. So viel Lärm. Und jeder hat dich wie ein Pony getätschelt.«
    Grace zog an den Ohren des schlaffen Kaninchens.
    »Als ich noch ein Kind war, hatte ich eine Tante. Sie hieß Lauralee. Sie hat immer versucht, mich abzuküssen, und sie hatte so ein großes dickes Geschwür an ihrer Lippe. Wenn sie in meine Richtung kam, bin ich immer sofort in den Keller gerannt und habe mich dort versteckt.«
    Grace zupfte weiter an dem Stofftier. Das arme Kaninchen würde bald seine Ohren verlieren, und Jo war in allen Angelegenheiten, die Nadel und Faden erforderten, auf die Zunft der Schneider angewiesen.
    »In dem Keller waren lauter Spinnen«, fuhr Jo fort. »Riesige, haarige Biester, so groß wie Opossums. Ich hatte furchtbare Angst vor ihnen, aber ich musste unbedingt weg von Tante Lauralee.«
    Und weg von deren Tiraden, welch schlechter Mann doch Jos Vater war, der beim ersten Problem das Weite gesucht und ihre Mutter gezwungen hatte, mit ihrer Tochter in einem Einzimmerloch zu hausen. Wie verfluchte sie den Tag, an dem Mom ihn kennengelernt hatte! Und nun musste sie in diesem heruntergekommenen Apartment ohne Garten für Jo leben …
    »Und mein Onkel Gabe«, fuhr

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