In Liebe und Tod
Morris anerkennend fest. »Ich habe einen neuen Pathologen dabei angeleitet. Nach dem Motto >Sterben, um zu lernen<. Die Frau wurde vor ihrem Tod gefoltert. Sie hat zwei gebrochene Finger und die Position der Brüche deutet darauf hin, dass sie ihr nach hinten umgebogen worden sind.«
Morris hob seine eigene Hand, packte den kleinen Finger und knickte ihn nach hinten ab. »Effektiv und äußerst schmerzhaft.«
Eve erinnerte sich an den fürchterlichen Schmerz, als ihr Vater ihr den Arm gebrochen hatte, und nickte mit dem Kopf. »Allerdings.«
»Außerdem hat sie an Schulter, Bauch und Fußsohlen Verbrennungen. Wahrscheinlich hat der Killer sie ihr mit einem Laserpointer oder etwas in der Richtung zugefügt. Sehen Sie die runden Formen? Er hat anscheinend ziemlich kräftig zugedrückt, denn er hat ihr nicht nur leicht die Haut verbrannt, sondern richtige Wunden zugefügt.«
Um besser sehen zu können, setzte sie eine Mikro-Brille auf. »Die Brandmale sind nicht oder zumindest kaum verwackelt. Ihre Knöchel waren mit Klebeband zusammengebunden, trotzdem hat sie sich bestimmt gewehrt. Er muss also ihren Fuß mit der Hand umklammert und ganz fest gehalten haben. Was heißt, dass er seine Arbeit wirklich ernst genommen hat.«
Sie setzte die Brille wieder ab. »Ihre Nase ist gebrochen.«
»Ja, und wenn man durch die Brille guckt, kann man winzige Quetschungen an beiden Nasenflügeln sehen.« Er griff nach der Brille, die Eve eben verwendet hatte, und drückte sie auf ihr Nicken hin Peabody in die Hand.
Peabody setzte sie auf und beugte sich über die tote, junge Frau. »Ich sehe nur eine große Schwellung.« Sie runzelte die Stirn, sah aber, als Morris mit einer kleinen Lampe die Seite der Nase beleuchtete, noch einmal genauer hin.
»Okay, ja. Jetzt erkenne ich’s. Ich glaube nicht, dass ich es von selbst entdeckt hätte, aber jetzt ist alles klar. Er hat ihr den Mund zugeklebt und ihr dann mit Daumen und Zeigefinger die Nase zugehalten, damit sie keine Luft mehr kriegt.«
»Mit der gebrochenen Nase hat sie wahrscheinlich sowieso nur mühsam Luft bekommen. Und er hat es ihr noch schwerer gemacht.«
»Er hat sie verhört«, erklärte Eve. »Wenn es ihm nur darum gegangen wäre, sie vor ihrem Tod zu quälen, hätte er mehr mit ihr gemacht. Hätte ihr Schnittwunden zugefügt, ihr noch mehr Knochen gebrochen, sie noch schlimmer und an mehr Stellen verbrannt. Vielleicht hätte er sie auch sexuell missbraucht oder sie an den Brüsten und den Genitalien verletzt.«
»Genau. Er wollte sie zum Reden bringen, weiter nichts. Bei dem Mann hat er auf das Verhör verzichtet und ihn sofort, nachdem er sich mit ihm geschlagen hat, erwürgt.«
»Weil ihm die Frau alles erzählt hat, was er wissen musste, weil sie ihm bereits gegeben hatte, was er haben wollte«, schloss Peabody.
»Das zweite Opfer musste sterben, weil das erste dem Killer erzählt hat, dass es wusste, was sie wusste, oder dass es gesehen hatte, was sie gesehen hatte. Das Motiv lag also eindeutig bei ihr«, murmelte Eve.
Zurück auf dem Revier, setzte sich Eve an ihren Schreibtisch, trank eine Tasse Kaffee und aktualisierte ihren anfänglichen Bericht. Dann rief sie noch einmal wegen des
Beschlagnahmungsbefehls bei der Staatsanwaltschaft an, wurde aber wieder einmal mit irgendwelchen dürren Sätzen abgespeist.
Anwälte, dachte sie erbost. Die Anwälte des Wirtschaftsprüfungsunternehmens blockierten gewohnheitsmäßig ihr Gesuch. Damit hatte sie gerechnet, und auch wenn sie den Beschlagnahmungsbefehl am Schluss bekämen, verlören sie dadurch wahrscheinlich einen ganzen Tag.
Sie wählte die Nummer des Labors und machte den Kollegen, ebenfalls gewohnheitsmäßig, Dampf. Die Beweismittel waren gesammelt und wurden untersucht, aber sie waren keine Zauberer und bräuchten deshalb etwas Zeit. Blabla.
Was hatte sie bisher? Zwei Tote - ein Paar -, die in ihren jeweiligen Wohnungen ein paar Blocks voneinander entfernt, im Abstand von einer Stunde, ermordet worden waren. Erst die Frau. Sie waren bei demselben Unternehmen angestellt gewesen, wenn auch in verschiedenen Abteilungen. Jemand hatte sie getötet und die Computer und Disketten aus den beiden Wohnungen geklaut.
Sie hatten keine bekannten Feinde gehabt.
Der Killer musste ein privates Transportmittel verwendet haben, überlegte sie. Schließlich hatte er wohl kaum Natalies Computer mit an den zweiten Tatort geschleppt.
Stirnrunzelnd öffnete sie ihre E-Mails, um zu sehen, was Peabody über die Kisten
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