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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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Öffnung. Ein Mann, der hier herausfiel, würde direkt im Mischer landen. Es schien nicht tief zu sein, vielleicht drei Meter. Er selbst hätte nicht gezögert hinunterzuspringen, wenn es nötig wäre. Darüber hinaus war ein schmaler Rand rund um die Kante des Mischers geschweißt, breit genug, dass ein Mann mit gutem Gleichgewichtssinn darauf balancieren konnte. Es müsste möglich sein, sich mit den Armen bis an den Rand zu ziehen. Aber wenn der Mischer rotierte und sich mit Betonmasse füllte, war es vermutlich ziemlich schwierig herauszuklettern.
    Knut fotografierte der guten Ordnung halber den Schuppen und die Schalttafel. Dann kletterten sie das Gerüst wieder hinunter. Der Konsul zuerst. Ständig blieb er mit seinem Mantel irgendwo hängen. Als sie schließlich wieder auf der Erde standen, unternahm Knut einen letzten Versuch, einige Details des Unglücks zu klären. Er zeigte auf die Stellen, an denen Betonmasse in den Schnee geflossen war. »Diese Fußabdrücke sind im Schnee und auch im Beton zu finden. Sie müssen von jemandem stammen, der hierherkam, nachdem der Mischer angestellt wurde.«
    »Ja … vermutlich von den Arbeitern, die versucht haben, Vanja zu retten.« Der Konsul schien nur ungern zu antworten. Zum ersten Mal hörte Knut den Namen des Toten.
    »Das ist ziemlich wahrscheinlich.« Knut nickte. »Aber einige sind sehr, sehr klein.«
    »Wahrscheinlich spielende Kinder. Die springen hier überall herum.« Der Dolmetscher zuckte die Achseln.
    Knut sah sich die Betonklumpen näher an. Sie waren hart. »Meinen Sie, dass Kinder hier gespielt haben, während der Steiger verzweifelt versuchte, sich nach oben zu kämpfen? Und dass sie nichts gehört oder Erwachsenen von dem Unglück erzählt hätten?«
    Die Russen blieben stehen und schauten den Beamten der Regierungsbevollmächtigten an. Niemand hatte noch etwas zu sagen.
    »Möchten Sie jetzt den Toten sehen?«, fragte der Dolmetscher schließlich.

KAPITEL 6 Der Tote
    Der tote Steiger lag auf einer niedrigen Bank im Versammlungssaal, der gleichzeitig als Sporthalle diente. Über die Bank waren weiße Tischtücher oder Laken gebreitet. Auf beiden Seiten des provisorischen Sargs standen Kerzenleuchter aus Eisen. Die kurzen, kräftigen Kerzen waren angezündet, flackerten aber im Zug der halb geöffneten Eingangstür und eines angekippten Fensters oben an der Wand. Auf dem Boden hatte sich geschmolzenes Wachs in erstarrten Wülsten gesammelt. Der Saal war kalt und nicht sonderlich hell. Knut fiel der unangenehm aufdringliche Geruch auf. Trotzdem trat er näher an den Sarg. Er überlegte, ob der Konsul und der Direktor etwas anderes als eine reine Routineuntersuchung erwarteten.
    Der Mann war von kräftiger Statur gewesen, untersetzt und breitschultrig. Er lag auf dem Rücken, die Arme an den Seiten, die Beine gerade ausgestreckt, der Bauch wölbte sich wie ein großer, runder Sack unter der Kleidung. Die Füße waren nackt und so malträtiert, dass sie eher wie blutige Stümpfe aussahen. Ansonsten war er bekleidet. Die Kleidungsstücke hingen in steifen, grauen Fetzen an ihm. Das Gesicht bot einen entsetzlichen Anblick: aufgerissene Augen, die aus den Höhlen hervorzutreten schienen, der Mund offen und verschmiert von der gleichen grauen Masse, die auch seine Kleidung verdreckte. Abgesehen von den blutigen Knöcheln wiesen seine Hände keine großen Verletzungen auf.
    Knut unterdrückte seine Übelkeit und trat noch näher heran. »Wieso haben Sie ihn hierhergebracht, in den Versammlungssaal? Wäre es nicht naheliegender gewesen, ihn im Krankenhaus zu lassen?«
    Der Dolmetscher verzog den Mund. »Das Krankenhaus ist für die Lebenden. Selbstverständlich hat ein Arzt den Toten genau untersucht und einen Bericht geschrieben – ja, man kann wohl sagen, dass er die Todesursache festgestellt hat. Tod durch Ertrinken … in der Betonmasse. Am späten gestrigen Abend, nachdem die Witwe Gelegenheit hatte, am Sarg ihres Mannes zu sitzen und das Ereignis zu beklagen, wurde er hergerichtet … so gut es sich machen ließ … und hierhergebracht. Noch heute soll eine Feier zu seinem Gedenken stattfinden. Aber in der Kapelle ist nicht genügend Platz für alle Bergleute. Der Verstorbene wird aufs Festland gebracht, um dort begraben zu werden. Vielleicht wird er bereits heute Nachmittag mit einem Hubschrauber abgeholt.«
    Knut hörte Lärm hinter sich und drehte sich um. Eine Gruppe Russen war hereingekommen und unterhielt sich an der Tür, lautstark und

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