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In meinem kleinen Land

In meinem kleinen Land

Titel: In meinem kleinen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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genau in der Mitte Europas lag (der Osten Europas gehörte bekanntlich nicht zu Europa), machte Düsseldorf attraktiv als Sitz für multinationale Konzerne. Rund um diese Firmen entstanden Hunderte kleine und ein paar riesige, sich selbst als symbiotisch empfindende, von ihren Kunden jedoch oft als parasitär empfundene Werbeagenturen. Diese Putzerfische des Industriezeitalters haben die Stadt in den vergangenen fünfzig Jahren beträchtlich geprägt. Bis heute sind einige der größten Agenturen des Landes in Düsseldorf beheimatet, wo es nach wie vor Kunden gibt, anders als beispielsweise in Berlin.
    Und dann kann Düsseldorf auch noch mit der Kunstakademie auftrumpfen. Mit Beuys also. Mit Immendorf. Mit Lüpertz. Und mit seiner Musikszene. Und mit seinem Altbier, seinem Schauspielhaus, seiner Königsallee, seiner blöden herrlichen Altstadt.
    Leider muss man an dieser Stelle auch den Fußballclub Fortuna Düsseldorf erwähnen, dessen zielstrebiger Abstieg bis in die vierte Liga von viel Häme besonders der Nachbarstädte begleitet wurde.
    Die Fortuna spielte früher im Rheinstadion, einer Betonschale realsozialistischer Anmutung, wie man sie in Bukarest oder Kiew erwarten würde. Ich habe die Stadionwurst als Höhepunkt vieler Spieltage in Erinnerung. Es handelte sich um eine recht lange, rote, würzige Wurst und wurde zumindest der ersten beiden Attribute wegen vom Fan gerne als «Apachenpimmel» bestellt. Die Fortuna hatte Ende der siebziger Jahre einigen Erfolg, stieg dann aber immer häufiger ab, irgendwann ohne wieder aufzusteigen. Und dennoch: Fortuna Düsseldorf verfügt auch nach der Sprengung des Rheinstadions über eine schicke und im Gegensatz zu den sportlichen Leistungen des Vereins international konkurrenzfähige Sportstätte mit Cabriodach, die auch hier inzwischen «Arena» heißt und ansonsten den Namen des Hauptsponsors trägt.
    Für den Bau der LTU-Arena gab es eigentlich keinen vernünftigen Grund. Zu den unvernünftigen und damit auch wieder sympathischen Gründen zählt der Wunsch der Düsseldorfer, ein super Stadion zu haben. Falls mal eine WM oder Olympische Spiele in die Stadt kommen.

    Als ich drei Jahre alt war, zogen wir in einen Vorort von Düsseldorf. Nach Meerbusch. Wenn Düsseldorf der Schreibtisch des Ruhrgebietes ist, dann ist Meerbusch sein Schlafzimmer. Mein Vater verließ gegen halb neun das Haus und kam irgendwann am späten Nachmittag wieder zurück. Dann ging er in den damals noch von winzigen Beeten eingefassten Tennisclub. Nach dem Spiel musste man den Platz mit schweren Matten abziehen. Das durften die Kinder machen und bekamen dafür ein Eis. Zumindest manchmal. Die Erwachsenen verbrachten viel Zeit im Club und saßen nach dem Match in ihren engen kurzen Hosen und Lacoste-Hemden auf der Terrasse des Clubhauses. Die lederumwickelten Griffe der Holzschläger lugten wie steife Schwänze aus Snauwaert-Taschen. Es lag immer Sex in der Luft, deutscher Vorstadtsex, diese unbeschreibliche Siebziger-Jahre-Geilheit. Heute ist die Anlage überwuchert von Efeu und Büschen, die giftige Früchte tragen. Die meisten der Plätze werden nicht mehr bespielt, und die aufgenagelten Kunststofflinien wellen sich. Es gibt schon lange keine von abgeblendeten Autoscheinwerfern beleuchteten Mitternachtsturniere mehr, keine Karnevalspartys, keine Kinderturniere mit Fanta, keine vom orangefarbenen Boden gefärbten Schuhe.
    Es ist kaum ein Plopp mehr zu hören und kaum Stöhnen, selten der rhythmisch speiende Rasensprenger. Die meisten der Gründungsmitglieder sind tot oder spielen Golf. Schlägerköpfe schauen aus Golfsäcken heraus und bekommen ein Mützchen, damit sie nicht frieren oder schmutzig werden.

    Das Schöne am Rheinland ist, dass man sich als Besucher sofort herrlich amüsieren kann. Der eigentlich nicht brüllkomische Erwerb von Ohrenpfropfen wird in einer Stadt wie Düsseldorf leicht zu einer surrealen Szene.
    Ich im Kaufhaus zu einer Verkäuferin: «Guten Tag, haben Sie Ohropax?» Darauf die Verkäuferin, freundlich, aber sehr überrascht: «Dat issene jute Frage.»
    Ich: «Und wie ist die Antwort?»
    Verkäuferin, sehr laut: «Elke, ham wir Ohropax?»
    Elke: «Dat issene jute Frage.»
    Zweiter Versuch im Drogeriemarkt gegenüber. Ich zur Kassiererin: «Guten Tag, haben Sie Ohropax?»
    Kassiererin: «Am Ständer, wo die Kondome dranhängen.»
    Aha. Am Ständer mit den Kondomen. Und als sei diese Antwort nicht schon komisch genug, setzt sie hinzu: «Wo denn sonst?» Diese Gegenfrage

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