In meinem kleinen Land
Pips.
Regensburg. Reloaded
26. Mai 2006
Jetzt ist Schluss. Die letzten Abende. Beide in Regensburg. Das gibt mir die Chance, gleich zweimal im wunderbaren Hotel «Orphée» zu übernachten. Heute Sintflut. Ich besuche die Buchhandlung, und der Besitzer macht mich in seiner charmanten und leisen Art darauf aufmerksam, dass mir beim ersten Besuch ein Fehler in der Beobachtung des Regensburger Doms unterlaufen sei. Ich habe damals mächtig aufs Blech gehauen, weil dort am Dom auf die Darstellung der sogenannten Judensau hingewiesen wurde. Diese Judensau, so heißt es auf dem an der Außenwand des Doms angebrachten Schild, befände sich gleich neben dem Eingang an einer Säule der Kirche. Ich ging also hinein und suchte überall nach der Judensau. Ich fand sie aber nicht und regte mich darüber auf, auch über den Antisemitismus der Baumeister.
Der Buchhändler erklärt mir, die Judensau sei sehr wohl noch da, allerdings nicht im Dom, sondern am Dom, gleich neben dem Schild. Und das stimmt. Ich habe sie einfach übersehen, wie ich sicher vieles auf dieser Reise übersehen, nicht zur Kenntnis genommen, verpasst habe. Ich könnte noch Jahre durch dieses Land fahren, ohne auch nur annähernd alles gesehen zu haben, was zu sehen ist, sich sehen lässt und lassen kann und sehenswert ist. Unser Land ist so lächerlich klein und dann doch so unendlich vielfältig. Früher wäre mir das nie aufgefallen.
Mein Auftritt in einem großen Gewächshaus macht viel Spaß und wird vom Regen begleitet, der auf das Glasdach trommelt, als wolle er hineingelassen werden.
Am nächsten Morgen langes Frühstück im «Orphée», bisschen schreiben, Spaziergang durch Regensburg.
Zweite Lesung im Gewächshaus des Hesperidengartens. Dabei handelt es sich um eine Art Baumschule für Menschen, die am Ende des Marsches durch die Institutionen nach schönen Blumentöpfen für den Garten ihrer Villa suchen. Zauberhaft. Weil es die letzte Lesung der Reise ist und weil ich mich so wohlfühle und weil ich gar nicht will, dass es die letzte Lesung ist, gebe ich noch eine Zugabe. Und dann, nach zwei Stunden, ist es doch vorbei. Das war’s. Lesereise zu Ende.
Im Hotel setze ich mich ins Restaurant und bestelle Rotwein. Ich feiere ganz alleine Abschied von mir als Deutschlandreisendem. Das Personal deckt für das Frühstück ein. Ich könne hier sitzen, solange ich wolle, sagt die Kellnerin. Ich sitze. Trinke meinen Wein, werde sentimental. Ach, du liebes Land. Beinahe fange ich an zu weinen. Bevor es dazu kommt, gehe ich ins Bett.
Danke an
alle, die 2005 und 2006 zu meinen Lesungen gekommen sind, und diejenigen, die mit ihren Beiträgen, Kommentaren und Korrekturen das Weblog «Weilers Wunderwelt» bereichert haben.
Danke für Hilfe und Inspiration an
Barbara Laugwitz, Ulrike Beck, Anne Thiem, Regina Steinicke, Katharina Schlott, Joachim Düster, Ulrike Schwermann und Dirk Moldenhauer; Anette Schweizer und Nico Brünjes bei ZEIT-Online; Patrick Illinger; Florian Weber; Tilman Spengler und Daphne Wagner; Ulrich Dombrowski; Renate Schönbeck und Heike Völker-Sieber vom Hörverlag; Andreas Frege, Andi Meurer, Patrick Orth und Tim Wermeling bei JKP; Roger Willemsen; Hans-Georg und Eva Fischer; Martina Mothwurf; Bertram Job; den WDR; Stefan Hruby; Philipp Köster und Thorsten Schaar von 11 Freunde; Isabelle und Johannes Erler; Bettina Böttinger, Leonhard Koppelmann, Mathias Haase und Cordula Stratmann; Christian Gottwalt; Cornelius Färber; Mirko Borsche; Albrecht Fuchs; Trixie und Dirk Mecky; Andreas Purkhart; Heinz Strunk; Jakob Claussen; Inge und Hans Traxler, Pierre Peters-Arnolds; Sandra, Milla und Tim.
Ein ganz besonderer Dank gilt Tessa Martin vom Rowohlt Verlag. Ohne dich wäre das alles nix geworden.
Informationen zum Buch
«Erst seit es Navigationssysteme gibt, ist Voerde überhaupt auffindbar. Man muss gefühlte sechzehnmal die Autobahn wechseln. Und das auf einer Strecke von vielleicht vierzig Kilometern. Noch vor wenigen Jahren führte dies unweigerlich zu ausführlichen Orientierungsfahrten durch das westliche Ruhrgebiet …
Die Stadt Voerde ist ein aus mehreren Gemeinden zusammengebastelter, nicht unbedingt trostloser, allerdings ebenso wenig tröstlicher Ort, bei dessen Ausgestaltung viel Wert auf die Verwendung von Waschbeton gelegt wurde. Solche Gemeinden gibt es zu Tausenden in unserem kleinen Land. Voerde ist so wenig besonders, dass man es leicht vergessen kann. Und dann gibt es hier aber doch etwas ganz
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