In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
den ungastlichen Turm.
»Irr abt eine ässlike Nase!«
»Habt mit h, und hässlich, h,h,hässlich!«
Cunrat versuchte, seinem italienischen Kollegen Antonello den Satz beizubringen: »Ihr habt eine hässliche Nase!«
Antonello war der Kleinste und Schnellste unter den Bäckergesellen, und er sollte Rosshuser ablenken, damit Cunrat sich unbemerkt mit Els Sailerin unterhalten konnte. Doch so flink seine Beine auch sein mochten, seine Zunge war eher schwerfällig, und obwohl Cunrat selbst nicht der Allerschnellste war beim Reden, gab er sich erst nach langem Üben einigermaßen mit Francescos Äußerung zufrieden. Schließlich zogen die beiden los zum Lörlinbad .
Es war Montagabend, und Gretli war nach Mittag zum Bäckerstand gekommen, um Cunrat mitzuteilen, dass sie mit der Tettikoverin gesprochen hatte, und dass diese ihren Mann sogleich zum Vogt geschickt habe, um Fürsprache für Giovanni einzulegen. Cunrat war überrascht, dass der reiche Patrizier so schnell bereit war, einem kleinen Bäckergesellen zu helfen, und er dachte bei sich, dass man daran deutlich sehen konnte, wer im Hause Tettikover wirklich das Sagen hatte. Aber er war sehr froh über den Einfluss der beiden Frauen, denn sie hatten immerhin erreicht, dass man mit dem hochnotpeinlichen Verhör noch warten würde, bis der Vogt einer anderen Spur nachgegangen war. Welcher, wusste Gretli nicht. Cunrat fragte sich, ob Giovanni dem Vogt beim Verhör auch von den Mailändern erzählt hatte. Vielleicht war dies die Spur, die Hanns Hagen verfolgte.
Er selbst wollte an diesem Abend mit Els Sailerin sprechen. Er wusste genau, dass Rosshuser ihn als besten Freund von Giovanni sofort aus dem Lokal werfen würde, wenn er es wagen sollte, dort zu erscheinen, und aufgrund seiner Größe würde es auch nichts nützen, sich auf irgendeine Art zu verkleiden, der Wirt würde ihn auf jeden Fall erkennen. Deshalb hatte er sich das Ablenkungsmanöver mit Antonello ausgedacht.
Als die beiden zum Lörlinbad kamen, stellte sich Cunrat hinter die Hausecke und schickte Antonello in die Schankstube. Dort war nicht besonders viel los, ein paar Weber saßen zusammen an einem Tisch und redeten über die Tuchpreise, an anderen Tischen versuchten die Damen des Hauses mit den wenigen Gästen ins Gespräch zu kommen und handelseinig zu werden. Antonello mit seinen dunklen Haaren und Augen fiel sofort auf, als er den Raum betrat.
»Willkommen in meinem Haus! Was wünscht Ihr, welscher Freund? Eine hübsche Frau, fast wie in der Heimat?«, rief ihm Rosshuser vom Schanktisch her mit schmeichelnder Stimme entgegen. Antonello antwortete nicht, weil er gar nicht richtig verstanden hatte, was der Wirt meinte, und ging auf ihn zu.
Da machte Rosshuser eine Feigenhand, lachte dreckig und sagte dann auf Italienisch: »Bella fica! Bella fica!« Dann zeigte er in die Runde, worauf einige Frauen aufmerksam herüberschauten.
Antonello stand nun direkt vor dem Tresen, und nachdem er sich noch kurz umgesehen hatte, um sich über den Fluchtweg zu vergewissern, sah er den Wirt an und sagte seinen Satz:
»Ihr abt eine ässlike Nase!«
Rosshuser schüttelte den Kopf, als ob er falsch gehört hätte. »Was?«
Antonello wiederholte den Satz, wobei er sich bemühte, noch deutlicher zu sprechen. Und da Rosshuser ja offenbar auch Italienisch verstand, fügte er denselben Satz noch in seiner Sprache hinzu: »Eine hässliche Nase! Un brutto nasone, eh sì, bruttissimo! Siete un mostro!«
Rosshusers Gesicht wurde rot.
»Du Zwerg wagst es, mir so etwas zu sagen? Du elender Wurm?«
Seine Stimme zitterte vor unterdrückter Wut, dann wurde sie immer lauter, bis er schließlich nur noch Schimpfworte aneinanderreihte, während er hinter dem Schanktisch hervorstürzte und gleichzeitig das Messer zog, das er am Gürtel trug.
»Brutto nasone! Brutto nasone!«, neckte ihn Antonello, dem das Spiel nun richtig Spaß machte, da er das Objekt seines Spotts in der eigenen Muttersprache hänseln konnte. Langsam wich er zurück Richtung Tür, wobei er sich vergewisserte, dass der Frauenwirt ihm tatsächlich folgte.
»Brutto nasone!«, sang er noch, während er die Schankstube verließ, und draußen tänzelte er gemächlich vor dem vierschrötigen Peter Rosshuser her, der ihm in blindem Zorn nachlief. Erst als er ihn bis zum Bischofstörle gelockt hatte, zeigte er ihm mit einem letzten »Brutto nasone!« ebenfalls eine Feigenhand, dann rannte er richtig los und war rasch in einer Seitengasse verschwunden.
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