In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Lörlinbad , die Spielleute durften in der Fastenzeit ihre Kunst nicht ausüben, und so saßen nur einige Gesellen beim Wein. Die beiden suchten sich einen abgelegenen Tisch, und der Fremde bestellte einen Krug mit Rheinwein.
»Wer seid ihr?«, wollte Cunrat noch einmal wissen.
»Das tut nichts zur Sache. Sag mir, hat dein Freund Lucia entführt?«
»Nein, das hat er ganz gewiss nicht! Er macht sich große Sorgen um sie.«
Der Graue schüttelte bekümmert sein zottiges Haupt. »Das habe ich befürchtet.«
»Was meint Ihr damit?«
»Ich hatte gehofft, dass er sie entführt hätte, aus Liebe. Aber das wäre zu schön gewesen.«
Cunrat verstand gar nichts mehr.
»Seid Ihr denn nicht in sie verliebt?«
»Ich? Ha! Ich liebe sie, ja, aber nicht so, wie du denkst.«
»Wie dann?«
Der Mann sah ihn einen Moment lang prüfend an, dann seufzte er: »Sie ist meine Tochter.«
Cunrat war verblüfft.
»Ihr seid der Vater von Lucia? Der von den Piraten entführt wurde?«
»Ja ja, von Piraten entführt. Sag mir, was weißt du über Lucia?«
»Aber sie hat doch gesagt, Ihr seid tot!«
»Das dachte sie wohl. Hast du eine Vorstellung, wo sie sein könnte?«
»Ach, Herr, ich bin ja selber auf der Suche nach ihr, um Giovanni zu helfen. Der sitzt im kalten Raueneggturm, vollkommen unschuldig.«
Das Schicksal von Giovanni schien Lucias Vater jedoch nicht sonderlich zu berühren.
»Und? Hast du etwas über meine Tochter herausgefunden?«
Doch Cunrat war vorsichtig. Er traute dem Fremden nicht. Wenn er doch der Mörder war? Oder irgendein Spion, der ihn aushorchen wollte?
»Wie soll ich wissen, dass Ihr die Wahrheit sagt?«, fragte er.
Da zuckte der Mann resigniert die Schultern. »Mein Name ist Simon Ringlin, einst Kontorverwalter der Ravensburger Handelsgesellschaft in Mailand, heute ein Niemand. Ich habe alles verloren, was mir lieb und teuer war, mein ganzes Hab und Gut, ich kann dir nichts beweisen, mir ist nichts geblieben.«
Als Cunrat darauf nicht antwortete, zog der Bärtige seinen Beutel hervor und machte Anstalten zu bezahlen. »Dann muss ich eben weiter allein nach meiner Tochter suchen.«
Da kam Cunrat eine Idee.
»Sagt mir, Simon Ringlin, wenn Ihr es denn seid, was wäre Eurer Tochter das Wichtigste gewesen, das sie auf jeden Fall mitgenommen hätte, als sie ihr Vaterhaus verlassen musste, von all den Dingen, die die Familie besaß?«
Ringlin verstand, dass dies eine Prüfung war, die Cunrat ihm auferlegte. Er dachte angestrengt nach, dann sagte er: »Als sie zehn Jahre alt war, da hat ihr meine Frau ein Amulett geschenkt, das sie von ihrer Mutter und diese wieder von ihrer Mutter bekommen hatte, ein Kleinod aus Elfenbein, das sie immer um den Hals trug. Ein Adler war darauf eingraviert, und es hieß, ein Urahn meiner Frau habe das Amulett einst in Palermo vom großen Kaiser Friedrich persönlich bekommen, für seine treuen Verdienste.«
Cunrat konnte sich nicht erinnern, dieses Amulett gesehen zu haben, aber es war natürlich möglich, dass sie es bei sich trug oder dass Rosshuser es an sich genommen hatte. Vielleicht hatte sie es auch einfach verloren. Dennoch verriet seine Miene, dass die Prüfung nicht bestanden war.
Ringlin biss sich auf die Lippen. Dann stieß er plötzlich hervor: »Das Stundenbuch! Meine Frau, Pina, sie ist gestorben, und vielleicht, nein, gewiss hat Lucia es an sich genommen! Das Stundenbuch, das ich Pina geschenkt hatte. Hast du ein Buch bei ihr gesehen?«
Da erhellten sich Cunrats Züge. Zwar wusste er nicht genau, was ein Stundenbuch war, aber über ihrem Bett war ein Buch versteckt gewesen. Er nestelte den Buchbeutel von seinem Gürtel los und legte ihn auf den Tisch.
»Hier, das hab ich heute Abend in Lucias Kammer gefunden.«
Der Bärtige nahm das Buch aus dem Beutel und strich liebevoll darüber.
»Das ist es. Das Buch, das ich Pina zur Geburt unserer Tochter geschenkt habe! Lucias Mutter war eine so wunderschöne Frau!«
Mit Tränen in den Augen begann der Mann in dem kleinen Buch zu blättern. Cunrat sah, dass es in vollkommen gleichmäßiger Schrift geschrieben war und zwischen den beschriebenen Seiten immer wieder leuchtend farbige Bilder eingefügt waren.
»Das habe ich bei den Zisterziensern von Chiaravalle anfertigen lassen. Es hat mich ein Vermögen gekostet. Siehst du? Hier vorn stehen mein Name und der von Pina. Simon Ringlin und Giuseppina Sanseverino, mit unseren Heiligen.«
Er zeigte auf ein Bild mit den Heiligen Petrus und Joseph, die Cunrat an
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