In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
anschließend noch durch die Reihen der Krämerbuden bummelten, erzählte ihr Cunrat, was geschehen war.
»Ich mache mir solche Sorgen um Giovanni. Der Henker sagt, wenn er morgen nicht redet, wird er vielleicht peinlich verhört. Dabei hat er doch nichts getan!«
»Und du bist sicher, dass er Lucia nicht entführt hat?« Gretli konnte sich offenbar durchaus vorstellen, dass der Venezianer zu solch einem Mittel greifen würde.
»Das ist unmöglich, wir waren ja praktisch die ganze Zeit zusammen. Und wenn er es getan hätte, dann wäre er mit ihr aus der Stadt geflohen und hätte sich nicht seelenruhig mit uns anderen schlafen gelegt.«
Das leuchtete ihr ein.
»Hör zu, ich hab eine Idee. Ich werde mit Frau Tettikoverin reden. Sie soll ihren Mann bitten, dass er zum Vogt geht und mit ihm spricht, damit Giovanni wenigstens nicht unter die Folter kommt. Vielleicht finden wir ja in der Zwischenzeit etwas heraus.«
Cunrat war froh über ihre Hilfe, dennoch erzählte er ihr nicht, dass er am Sonntagabend eine Verabredung mit dem Henker am Turm hatte.
Es war den ganzen Tag trocken geblieben, aber als Cunrat sich zum Raueneggturm aufmachte, begann ein heftiger Ostwind durch die Stadt zu ziehen, er pfiff und heulte um die Häuser und durch die Laubengänge. Nach kurzer Zeit setzte starker Regen ein.
Cunrat zog den Mantel dicht um sich, damit seine wertvolle Last nicht nass wurde: eine warme Decke und etwas zu essen und zu trinken für Giovanni.
Egli Locher erwartete ihn schon am Fuße des Raueneggturms, wo eine steinerne Treppe zur Tür hoch führte.
»Hast du Geld dabei?«, fragte er als Erstes.
»Warum denn? Ja, ein wenig.«
»Weil du dem Wächter etwas zahlen musst. Hug Strigel will zehn gute Costentzer Pfennige haben. Für den Nachrichter tut keiner etwas umsonst.«
Cunrat öffnete seinen Beutel und zog zehn Pfennige heraus, die er dem Henker reichte. Der klopfte an die Tür oberhalb der Treppe, worauf sie einen Spaltweit geöffnet wurde. Von drinnen fiel der Lichtschein einer Fackel heraus. Egli Locher hielt dem Mann das Geld hin, und als der nachgezählt hatte, öffnete er die Tür so weit, dass Cunrat eintreten konnte. Der Henker verschwand ohne ein Wort in der Dunkelheit.
»Geh die Treppe nach oben, ich habe die Tür der Zelle angelehnt. Er trägt sowieso Fußfesseln und kann nicht abhauen. Aber bleib nicht zu lang und mach keinen Lärm. Ich will nicht, dass der Wächter von der Mauer euch hört. Sonst kannst du gleich bei deinem Freund dort drin bleiben, und ich bin auch dran! Heute Nacht hat Jakob Mutz auf diesem Mauerabschnitt Dienst, der ist ein ganz scharfer Hund!«
Vorsichtig erklomm Cunrat Stufe um Stufe der engen Holztreppe, die innen an der Mauer entlanglief. Der Wind heulte unheimlich durch Turm und Wehrgang. Das Licht der Fackel aus der Wachstube verdämmerte allmählich, je weiter er nach oben kam. Einmal rutschte er beinahe ab, doch schließlich gelangte er auf das obere Stockwerk. Von einem Absatz aus Holzbrettern gingen zwei Türen ab. Eine war ins Mauerwerk eingelassen, die andere führte in einen hölzernen Verschlag. Das war sicher das Verlies für die Gefangenen. Er öffnete die angelehnte Tür und musste zuerst mit dem Gestank von Exkrementen kämpfen, der in seine empfindliche Nase drang. Dann rief er mit gedämpfter Stimme ins Dunkel: »Giovanni!«
Offenbar hatte seine Freund trotz Kälte und Gestank geschlafen, denn er murmelte verwirrt: »Was? Wer ist denn da? Bist du das, Cunrat?«
Schnell trat Cunrat ein und zog die Tür hinter sich zu.
»Ja, ich bin’s, hier, ich hab dir eine warme Decke und etwas zu essen gebracht.«
»Hoffentlich auch etwas Gescheites zu trinken, das geht mir mehr ab!«
»Sicher.«
Cunrat reichte ihm den Krug mit Wein, den er mitgebracht hatte, und Giovanni tastete im Dunkeln danach. Dann hörte Cunrat ihn in kräftigen Schlucken trinken. Er blieb in der Hocke zusammengekauert auf seinen Füßen, weil er sich nicht aus Versehen in Giovannis Hinterlassenschaften setzen wollte.
»Wie bist du hier hereingekommen? Was tust du überhaupt hier? Kannst du mir raus helfen?«
Wie üblich sah sich Cunrat durch die vielen Fragen seines Freundes überfordert. Eine nach der anderen versuchte er sie zu beantworten. Langsam erzählte er, was seit Giovannis Verhaftung geschehen war, wie er den Henker und die Wache dazu gebracht hatte, ihn ins Verlies zu lassen, und dass er mit ihm habe sprechen wollen, weil er nicht wisse, was tun.
»Du hast zehn Pfennige
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