In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
ihren Symbolen erkannte, den Schlüsseln und dem Jesuskind. Vor den Heiligen knieten ganz klein zwei Personen, ein Mann und eine Frau, und darunter stand etwas geschrieben, wohl ihre Namen und die der Namenspatrone.
»Das seid Ihr?«, fragte Cunrat überrascht. Es erschien ihm seltsam, dass normale Menschen in einem Buch abgebildet waren, wie Heilige.
»Ja, das soll ich sein. Damals war ich noch jünger, ich trug keinen Bart, und meine Haare waren anders.«
Dann strich er zärtlich mit schwielig-schmutziger Hand über das Bild seiner Frau, ohne das Buch zu berühren, und nun liefen ihm die Tränen wie ein Bach in den Bart.
»Sie ist tot«, schluchzte er, »und wenn wir Lucia nicht bald finden, wird es ihr nicht besser ergehen.«
Cunrat wusste nicht, wie er Simon Ringlin trösten konnte. Unbeholfen nahm er die Hand des Älteren, aber der zog sie verlegen zurück.
»Hilf mir, Lucia zu finden, mein Kind, bitte, hilf mir!«
Als er sich etwas beruhigt hatte, fuhr er fort: »Du heißt Cunrat, nicht wahr? Du und ich, wir haben uns auf dem Schiff getroffen, auf dem Weg nach Costentz, erinnerst du dich?« Cunrat nickte zustimmend. »Seitdem habe ich Lucia gesucht, ich wusste, dass sie hierher gezogen war, doch erst in der Christnacht habe ich sie endlich gefunden, als sie gesungen hat in der Kirche des Heiligen Johannes, mit einer Stimme so schön, wie Pina sie hatte. Aber ich habe Angst um sie, darum habe ich sie bisher nur von Ferne beobachtet.«
»Wovor habt Ihr Angst? Warum habt Ihr nicht mit ihr gesprochen? Sie vermisst Euch so sehr. Das hat sie Giovanni gesagt!«
Zum ersten Mal huschte so etwas wie ein Lächeln über das Gesicht des Bärtigen.
»Ich hätte nichts lieber getan. Doch es ist alles nicht so einfach. Es wäre zu viel, dir das jetzt zu erklären. Ich bitte dich, hilf mir, sie wieder zu finden!«
»Wie soll ich Euch helfen, wenn ich nicht weiß, welche Gefahr ihr droht? Warum sagt Ihr mir nicht, wovor Ihr solche Angst habt, dass Ihr es nicht gewagt habt, Euch Eurer Tochter zu nähern?«
Nach kurzem Zögern bestellte Simon Ringlin noch einen Krug und begann zu erzählen.
»Ich hatte ein gutes Auskommen in Mailand. Du musst wissen, der Gelieger der Ravensburger Handelsgesellschaft in Mailand ist einer der größten von allen, und sein Oberhaupt ist ein angesehener Mann. Ich habe in den höchsten Kreisen verkehrt, war mit Patriziern und Adligen befreundet, ja, ich galt sogar als Familiare von Giovanni Maria Visconti, dem Herrn von Mailand. Er ist vor drei Jahren ermordet worden. Kurz bevor ich von den Piraten gefangen wurde.«
»Lucia hat gesagt, Ihr hattet auch einen Medicus zum Freund.«
»Das hat sie auch erzählt?« Der Mann schluckte schwer, dann fuhr er fort: »Ach, meine Lucia! Wir waren so glücklich, Pina, Lucia und ich. Doch Fortuna ist launisch, und so viel Glück weckt den Neid der weniger Glücklichen. Mein Stellvertreter wollte meinen Platz einnehmen, und wie ich gehört habe, ist es ihm auch gelungen.«
»Und die Piraten?«, fragte Cunrat neugierig.
»Tja, die Piraten. Wir waren auf dem Weg von Genua nach Valencia in Spanien. Dort wollten wir Verhandlungen führen, um ein neues Kontor zu gründen. Weil ich auch ein wenig Spanisch spreche, war der Gesellschaft daran gelegen, dass ich mitfahre. Dann kamen die Piraten. Aber sie kamen schon kurz nach Genua, wo sie sich normalerweise nicht hin trauen, denn dort haben sie kaum eine Rückzugsmöglichkeit in eines ihrer Inselnester. Und es waren seltsame Piraten. Nachdem sie unsere Ware an sich genommen hatten, wollten sie uns alle töten, anstatt Lösegeld für uns zu fordern. Findest du nicht auch, dass das ein seltsames Verhalten für Piraten ist?«
Cunrat hatte noch nie mit Piraten zu tun gehabt, deshalb wusste er nicht, wie sie sich normalerweise benahmen, doch er nickte bestätigend.
»Wirklich seltsam!«
Der andere sah ihn zweifelnd an, dann sagte er bitter: »Ja, weil es gar keine Piraten waren. Oder zumindest waren sie in diesem Fall nicht auf normale Piratenbeute aus. Sie waren bezahlt! Bezahlte Mörder! Sie sollten uns alle umbringen und ins Meer werfen. Doch da hab ich mit ihnen verhandelt. Ich hab versucht ihnen klar zu machen, dass sie viel Geld mit uns machen könnten, wenn sie Lösegeld fordern. ›Von wem denn?‹, haben sie gefragt. ›Von der Ravensburger Handelsgesellschaft!‹, hab ich geantwortet. ›Ich bin eine wichtige Person dort und denen viel Geld wert!‹ Da haben sie nur gelacht. ›Ausgerechnet die
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