In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
besann er sich jedoch, denn er hatte die Absicht, in der Heiligen Stadt mit venezianischen Kaufleuten zu verhandeln, die bei ihm Gewürze kaufen wollten. Er versprach mir, dass ich eine Nacht in der Grabeskirche verbringen dürfte, wenn er einen guten Geschäftsabschluss erzielen würde. Da ich die Venezianer gut kenne und inzwischen auch einigermaßen des Arabischen mächtig war, gelang es mir in der Tat, einen für Miranschach äußerst günstigen Preis auszuhandeln. So ließ er mich einen Abend und eine Nacht die Heiligen Stätten besuchen.«
»Aber hättet Ihr da nicht fliehen können?«
»Miranschach war nicht dumm. Ich musste einen heiligen Eid schwören, dass ich nicht die Gelegenheit zur Flucht ergreifen würde.«
»Gilt denn ein Schwur auch einem Ungläubigen gegenüber?«
»Du bist auch nicht dumm, mein lieber Cunrat, natürlich hätte ich den Schwur nicht einhalten müssen. Aber so weit dachte Miranschach auch. Und deshalb gab er mir zusätzlich noch einen Wächter mit, einen freundlichen jungen Mann aus seinem Gefolge, und er befahl ihm, mich unter allen Umständen zurückzubringen, andernfalls würde er seinen Kopf verlieren. Da ich nicht zum Mörder des Jungen werden wollte, bin ich also zurückgekehrt.«
»Herr Ringlin, sagt mir, wie es in der Grabeskirche war!«
Cunrat hatte im Kloster Weißenau immer wieder die ehrfürchtigen Berichte von Leuten gehört, die eine Pilgerfahrt ins Heilige Land unternommen und dort all die Heiligen Stätten besucht hatten. Der heiligste all dieser heiligen Orte war jedoch das Grab Jesu, es war der Nabel der Welt.
Simon Ringlin begann seine Schilderung mit einigen Abschweifungen.
»Jerusalem liegt zwischen zwei Bergen und hat einen großen Mangel an Wasser. Die Heiden nennen Jerusalem Kurtzi Chalil, die Griechen Hierosolima. Bevor ich die Nacht in der Grabeskirche verbracht habe, besuchte ich viele andere heilige Orte dieser Stadt. Neben der Grabeskirche liegt der Kalvarienberg mit einem weißen Stein, wo unser Herr gekreuzigt wurde. Auf dem gleichen Berg befindet sich ein Altar mit der Säule, an der Jesus angebunden war, als man ihn geißelte. Beim selben Altar, 42 Stufen unter der Erde, ist das heilige Kreuz und das der zwei Schächer gefunden worden. Vor der Kirchentür, 18 Stufen hinauf, hat unser Herr am Kreuz die Worte gesprochen: ›Frau, nimm wahr, dies ist dein Sohn‹. Diese Stufen ist er auch hinaufgegangen, als er das Kreuz trug. Vor der Stadt steht die Kirche des Heiligen Stephanus, wo dieser gesteinigt worden ist. Dem Tal Josaphat zu ist die Goldene Pforte. Nicht weit von der Kirche, in der das Heilige Grab ist, befindet sich das große Spital von St. Johannes, wo man sieche Leute pflegt. Das Spital hat 134 Säulen. Gleich in der Nähe ist eine Kirche, die ›Zu unserer Frau‹ heißt. Dort rauften Maria Magdalena und Maria Kleopha die Haare, als sie Gott am Kreuze sahen. Hinwärts vor der Kirche mit dem Heiligen Grab liegt der Tempel unseres Herrn. Das ist ein gar schöner Tempel, hoch, rund und weit und mit Zinn überdacht. Auf der linken Hand ist ein Palast, den man Salomons Tempel heißt. Nicht weit davon ist eine schöne Kirche zu Ehren der Heiligen Anna erbaut, und hier wurde unsere Frau empfangen. In dieser Kirche gibt es einen Brunnen, und wer sich darin badet, wird gesund, welche Krankheit er auch haben mag. In der Nähe befindet sich des Pilatus’ Haus, daneben das Haus von Herodes, der die Kinder töten ließ. Ein wenig weiter ist eine Kirche, die heißt ›Zu Sankt Anna‹, und dort hat man einen Arm von Sankt Johann Chrisostimus und den größeren Teil von Sankt Stephanus’ Haupt. In der Gasse, durch die man zum Berg Sion hinaufgeht, ist die Kirche des Heiligen Jakob. Nicht weit entfernt am Berg befindet sich die Kirche Unserer Frau, dort war ihre Wohnung und dort starb sie auch. Geht man den Berg Sion hinauf, so findet man die Stelle, wo unser Herr seinen Jüngern die Füße wusch. Ganz in der Nähe wurde Sankt Stephan begraben. Da ist auch der Altar, wo unsere Frau die Engel Messe singen hörte. In derselben Kapelle, am großen Altar, saßen die zwölf Apostel am Pfingsttag, als der Heilige Geist zu ihnen kam. An gleicher Stelle beging unser Herr mit seinen Jüngern den Ostertag. Jenseits des Sionberges steht das Haus, wo unser Herr die Jungfrau vom Tod erweckt hat. Dort ist auch der Prophet Isaias begraben. Der Prophet Samuel liegt auf einem Berg vor der Stadt begraben. Zwischen dem Ölberg und Jerusalem nähert sich das Tal
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