In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
blieben beim Ofen zurück und bedienten die Kundschaft, die jetzt um die Mittagszeit zahlreicher wurde.
Als Ringlin in der Tür verschwunden war, zog sich Giovanni ins Lamm zurück und bestellte einen Krug Wein und einen Rindsbraten. Zu lang hatte er solche Köstlichkeiten entbehren müssen. Endlos erschien ihm die Zeit, bis Lucias Vater wie vereinbart ebenfalls ins Lamm kam. Giovanni war schon beim zweiten Krug.
»Und?«, rief er ihm entgegen, als der dunkle Mantel in der Tür erschien. Doch die Gestalt war zu gebückt, um gute Nachrichten zu bringen.
»Sie ist nicht da. Ich habe mit einer Magd gesprochen. Sie sagte nur, dass Rosshuser so wütend sei wie noch nie. Sie haben alle Angst vor ihm und gehen ihm aus dem Weg. Mehr habe ich nicht erfahren.«
»Verflucht! Aber warum hat man mich dann freigelassen? Da stimmt doch etwas nicht!«
Es dauerte genau einen und einen halben Tag, bis sie erfuhren, warum Giovanni freigekommen war.
Poggio Bracciolini war gegen Abend an ihren Stand gekommen. Die Bäcker hatten kaum noch Brot und wollten gerade ihr Tagwerk beenden. Sie waren schon dabei, den Tisch abzubauen und die Plache einzurollen. Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen.
In dem Moment, als Poggio zu ihnen stieß, kehrte Giovanni aus dem Bad am Rindermarkt zurück, wo er sich Haare und Bart hatte scheren lassen. Bei seinem Anblick räusperte sich Poggio und fragte überrascht, wie es komme, dass er frei sei. Ob Lucia wieder aufgetaucht sei.
Doch Giovanni erklärte ihm, dass er auch nicht wisse, was seine Freilassung verursacht habe, Lucia sei jedenfalls immer noch verschwunden.
Poggio murmelte kopfschüttelnd »Strano!«, dann fing er an zu erzählen, dass er sich mit einigen Mailänder Schreibern getroffen hatte, offiziell, um über die Situation nach dem Rücktritt des Papstes zu sprechen. Lucias Vater hatte richtig vermutet, zur Delegation gehörte auch ein gewisser Jakob Schwarz, der allerdings bei den meisten unbeliebt war wegen seiner Arroganz und Grausamkeit. Dennoch wagte niemand etwas gegen ihn zu sagen, weil er in engem Verhältnis zu Herzog Filippo Maria stand. Außerdem sprach er als Vertreter der Ravensburger Handelsgesellschaft Deutsch und war für die Delegation von unschätzbarem Wert bei allen Verhandlungen in der Konzilsstadt, da ja Ambrogio als Übersetzer ausgefallen war.
Die Mailänder wohnten im Salmansweiler Hof am Fischmarkt. Das mehrstöckige Gebäude gehörte dem Zisterzienserkloster Salem, das weit im Hinterland des Bodensees lag und über reichen Grundbesitz verfügte. Getreide, Obst und Wein, aber auch Salz aus den Bergwerken von Hallein in Tirol, die ebenfalls im Besitz des Klosters waren, wurden über diesen Stadthof vertrieben. Über den Seeweg gingen die Waren bis Rhineck am südöstlichen Ufer des Bodensees, dann wurden sie auf Maultiere geladen und von Station zu Station das Rheintal hochgebracht, wobei sie jedes Mal verzollt und umgeladen werden mussten, um schließlich über den Septimer- oder Lukmanier-Pass in den Süden nach Chiavenna, Como und Mailand zu gelangen. Die wichtigsten Handelspartner der Salemer Mönche waren die Mailänder, und so kam es, dass der Abt des Klosters eingewilligt hatte, die Delegation aus der norditalienischen Stadt im klostereigenen Gebäude unterzubringen.
Vorsichtig hatte Poggio auch nachzufragen versucht, ob jemand eine schöne junge Frau bei Jakob Schwarz gesehen hatte, doch keinem war etwas aufgefallen. Alle berichteten übereinstimmend, dass Schwarz zwar häufig die örtlichen Frauenhäuser besuchte, sich in seinem Gefolge aber kein weibliches Wesen befinde.
»Also wissen wir nichts!«, kommentierte Giovanni bitter, was Poggio mit ärgerlichem Schnaufen quittierte, bevor er sich kurz angebunden verabschiedete.
Auf Cunrats Insistieren übersetzte Giovanni ihm in wenigen Sätzen, was Poggio gesagt hatte.
»Aber warum haben sie dich freigelassen, Giovanni?« Diese Frage beschäftigte Cunrat, und ohne dass er hätte sagen können, warum, dünkte ihn, dass sie, wenn sie eine Antwort darauf fänden, auch Lucia wiederfinden würden. Doch Giovanni zuckte nur die Schultern.
»Ich werde Egli Locher fragen«, beschloss Cunrat.
»Seid ihr inzwischen so enge Freunde geworden?«, fragte Giovanni bissig, doch Cunrat antwortete nicht darauf. Nach fünf Tagen im Turm hatte jeder das Recht auf schlechte Laune und etwas Boshaftigkeit. Das würde wieder vergehen, dessen war er sich sicher.
Als sie all ihre Habseligkeiten verstaut hatten, machte
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