In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
doch als er Ringlin ins Gesicht sah, bemerkte er, dass das Wasser in dessen Bart nicht nur Regen war. So sagte er feierlich: »Herr Ringlin, ich verspreche Euch, dass wir sie finden werden!«
Doch er hatte nicht die geringste Vorstellung, wie er dieses Versprechen halten sollte.
Als Cunrat zum Bäckerstand zurückkehrte – mit Ringlin im Schlepptau, der nicht wusste, wohin mit sich – stand Poggio Bracciolini bei dem fahrbaren Ofen und wärmte sich die Hände. Er war in ein Gespräch mit den venezianischen Bäckern verwickelt, die ihm klar zu machen versuchten, dass es während der Fastenzeit keine Pasteten mit Krammetsvögeln gab, sondern nur Brot und Brezeln. Der Papstsekretär wirkte niedergeschlagen und wandte sich schließlich resigniert zum Gehen. Als er Cunrat sah, kam er auf ihn zu und begrüßte ihn auf Deutsch.
Bracciolini beschwerte sich noch einmal über das magere Angebot des Bäckerstandes, doch dann wollte er wissen, was mit Giovanni passiert sei. Offenbar hatten die anderen Bäcker ihm keine genaue Auskunft geben können oder wollen.
Cunrat berichtete ihm kurz von Lucias Verschwinden und Giovannis Verhaftung und stellte ihm Simon Ringlin als Lucias Vater vor. Poggio wirkte leicht verlegen, hatte er doch Lucias Dienste ebenfalls in Anspruch genommen. Es war eine Sache, zu einer weitgehend anonymen Hure zu gehen, eine andere, plötzlich deren Vater vor sich zu haben, welcher sich Sorgen um seine Tochter machte.
Doch Cunrat ließ ihm keine Zeit, sich zu schämen. Er dachte daran, wie Poggio ihn aus dem Gefängnis geholt hatte. Warum sollte dasselbe nicht bei Giovanni möglich sein? Der Papstsekretär war so mächtig, wie sollte ein städtischer Vogt sich da widersetzen? Er überlegte kurz, wie er mit möglichst klarem, einfachem Deutsch seine Bitte vortragen konnte, doch dann bat er lieber Simon Ringlin, sie ins Italienische zu übersetzen.
Doch kaum hatte Bracciolini Cunrats Anliegen gehört, lachte er bitter, und sein Gesicht nahm wieder den Ausdruck von Niedergeschlagenheit an, den es zu Beginn ihres Gesprächs gehabt hatte. Als Ringlin seine Antwort ins Deutsche übertrug, schwand Cunrats Hoffnung so schnell dahin, wie sie über ihn gekommen war.
»Der Papst hat seinen Rücktritt angekündigt. Und wenn er kein Papst mehr ist, bin ich auch kein Papstsekretär mehr.«
Natürlich hatte auch Cunrat mitbekommen, dass Papst Johannes verkündet hatte, er werde von seinem Amt zurücktreten, überall in der Stadt war darüber geredet worden, in der Bischofspfalz ebenso wie in den Bordellen, unter Prälaten wie unter Marktweibern. Doch Cunrats Denken war in diesen Tagen mehr vom schwäbisch-venezianischen Hans beherrscht worden als vom römischen Johannes, und so hatte er bei Poggios Anblick ganz vergessen, dass dessen Stellung durch die Ankündigung des Papstes womöglich eine andere geworden war. Vom Sekretär eines bald schon ehemaligen Papstes würde sich der Vogt wohl tatsächlich nicht sonderlich beeindrucken lassen. Was konnten sie also noch tun?
Da fragte Ringlin leise auf Deutsch: »Cunrat, vertraust du diesem Mann?«
Cunrat wusste nicht, worauf der Graubärtige hinauswollte, doch er sah Poggio einen Moment lang an, bevor er sagte: »Ja, Herr Ringlin, ich vertraue ihm, er ist doch, ich meine, er war doch der Sekretär des Papstes!«
Ringlin verzog das Gesicht. »Das hat nicht viel zu bedeuten. Aber noch ist der Papst nicht wirklich zurückgetreten. Vielleicht kann sein Sekretär uns ja doch helfen.«
»Glaubt Ihr? Wie denn?«
»Er verkehrt trotz allem immer noch in gehobenen Kreisen. Es wäre ihm sicher möglich, Kontakt zu den Mailändern aufzunehmen, um zu erfahren, ob Jakob Schwarz bei ihnen ist. Vielleicht gelingt es ihm so, etwas über Lucias Verbleib herauszufinden.«
»Und Giovanni?«
»Wenn wir Lucia finden, kommt auch Giovanni frei.«
*
Poggio Bracciolini an Niccolò Niccoli, am 6. März, dem Mittwoch nach Oculi, im Jahre des Herrn 1415
Ich, Poggio, sende Dir, meinem Niccolò, einen freudlosen Gruß!
Nun ist es also geschehen, mein Freund. Papst Johannes hat am vergangenen Samstag die ihm vom König überreichte Zessionsformel öffentlich verlesen. Darin hat er feierlich geschworen, abzudanken, für den Fall, dass auch die anderen beiden Päpste es ihm gleichtun werden. Wenn das passiert, ist er die längste Zeit Papst gewesen, und wir, seine Diener und Sekretäre, sind wieder einmal in den Zustand völliger Ungewissheit über unser Schicksal versetzt. Der eine
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