In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Mäntellerinnenhaus, um das dritte Tor zu überwachen, das sich über einer kleinen Treppe öffnete. Hier war die Wahrscheinlichkeit am größten, dass die feinen Herren aus Mailand das Haus verließen. Außerdem konnte er von hier aus auch Ringlin im Blick behalten, der ihm ein Zeichen geben würde, falls Jakob Schwarz durch eines der anderen Tore ins Freie trat. Lucias Vater hatte ihm den Prokurator der Ravensburger Handelsgesellschaft genau beschrieben, und die Beschreibung passte zu dem hageren, langhaarigen Mann, der ihm im Zug der Mailänder aufgefallen war, an dem Tag, bevor seine Geliebte verschwunden war.
Doch es dauerte lange, bis die beiden Wachtposten den mutmaßlichen Entführer zu Gesicht bekamen. Erst am nächsten Tag hatten sie Erfolg.
Der Tag war regnerisch wie die vorhergehenden, und wenn der Regen einmal für eine Weile aussetzte, dann pfiff ein kalter Wind vom See her über den Fischmarkt und die Sammlungsgasse hoch und trieb neue regenschwangere Wolken heran. Giovanni kauerte sich an die Hauswand neben dem Mäntellerinnenhaus und schlang den dicken Wollmantel wie ein Zelt um sich, auch er in Bettlerposition. Hin und wieder stand er auf und ging ein paar Schritte, um sein Blut wieder in Gang zu bringen, das ihm einzufrieren schien, ohne jedoch dabei das Tor des Salmansweiler Hofes aus den Augen zu lassen. Auch Ringlin marschierte manchmal auf dem Fischmarkt auf und ab, und einmal kam er zu Giovanni herüber, um zwei Worte mit ihm zu wechseln und ein Brot von ihm zu holen, das er sofort gierig verschlang. Giovanni hatte sich Proviant vom Bäckerstand mitgenommen.
Ansonsten verharrten die beiden an ihren Plätzen, in einem Zustand zwischen Wachen und Schlafen, der sie Kälte und Nässe weniger spüren ließ, ihre Aufmerksamkeit nur darauf gerichtet, wer das Haus der Zisterzienser betrat und verließ. Immer wenn eines der Tore sich öffnete, durchzuckte sie ein kleiner Schreck – ob er jetzt wohl auftauchte? – doch immer waren es andere Personen, die rasch ihrer Wege gingen.
Erst lang nach Mittag, als es schon dämmerte, trat endlich ein hagerer Mann durch das südliche Tor und sah sich vorsichtig um. Dann schlug er den Mantel um sich, zog die Kapuze über den Kopf und stiefelte die Treppe herab.
Giovanni war sofort hellwach und sprang auf die Beine. Er machte Ringlin ein fragendes Zeichen mit beiden ausgestreckten Zeigefingern und Daumen, in der Manier der Welschen. Der andere hob den Kopf, erkannte Jakob Schwarz und nickte aufgeregt. Schwarz war inzwischen bereits an Giovanni vorbeigelaufen und ging raschen Schrittes über den Fischmarkt Richtung Kaufhaus und weiter zur Marktstätte. Seine beiden Beobachter folgten ihm durch die Menge, traten hier einer vornehmen Matrone auf den Mantel und schubsten dort einen Karrenschieber unsanft zur Seite, um nur den Mailänder nicht aus den Augen zu verlieren. Der ging die Marktstätte hoch, bog dann in die Mordergasse ein und gelangte durch das Schlachthoftor nach Stadelhofen. Mit Mühe gelang es Ringlin und Giovanni, ihm zu folgen, und Giovanni fluchte mehr als einmal darüber, dass er nicht Cunrats Statur hatte, mit der er die Menschenmenge besser hätte überblicken können. Schließlich verließ Schwarz die Stadt durch das Kreuzlinger Tor. Seine beiden Verfolger sahen noch, wie er linker Hand im Kloster verschwand. Ob er Lucia bei den Augustiner-Chorherren versteckt hatte? Die Sache kam ihnen seltsam vor, denn hier waren viele Menschen einquartiert, die davon gewiss etwas mitbekommen hätten.
Doch kurze Zeit später tauchte Schwarz wieder auf, diesmal auf dem nervös tänzelnden Pferd, auf dem Giovanni ihn vor einigen Tagen hatte in die Stadt einreiten sehen. Offenbar hatten die Mailänder ihre Pferde in den Stallungen des Klosters untergebracht so wie Herzog Friedrich von Österreich. Schwarz gab seinem Tier die Sporen, dass es Richtung Süden davon galoppierte und beinahe einen der Aussätzigen beim Siechenhaus unter die Hufe genommen hätte.
Giovanni und Ringlin hatten das Nachsehen.
»Wo ist er hin geritten?« Das war die Frage, die sie alle beschäftigte. Sie saßen abends zusammen im Lamm und überlegten, was sie weiter tun konnten, Giovanni, Ringlin und Cunrat.
Verschiedene Orte wurden erörtert, die für Schwarz von Interesse sein konnten.
»Wenn er zu Lucia gegangen ist, dann hat er sie vielleicht bei irgendeinem der vielen Adligen im Thurgau versteckt!«
»Aber kennt er denn Adlige aus der Region? Kaufleute ja, aber
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