In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
klösterliche Zucht gewahrt werde, aber vor allem wolle ich die Schreib- und die Bücherstube besuchen.
Beflissen führte man unsere Reittiere in einen Unterstand, dann brachte uns eine Novizin zur Pförtnerin, einer recht korpulenten, verdrießlich dreinblickenden Frau. Diese teilte uns mit, dass die Mutter Oberin nicht im Kloster sei, ihr Bruder, der Costentzer Kaufmann Luitfried Muntprat, habe sie in dringenden Familienangelegenheiten nach Costentz rufen lassen. Sie werde wohl erst in zwei Tagen wieder zurückkehren.
Ich wusste nicht, ob dieser Bescheid für mein Anliegen günstig war oder nicht, doch ich bat die Pförtnerin, mich also in die Schreibstube zu führen.
So ging sie uns voran in das Kirchlein, das wie alle Kirchen hier noch im alten Stile gebaut ist, mit runden Bögen und geschmückt mit ungelenken Bildern. Von dort gelangten wir durch eine Tür neben der Apsis über eine steile Treppe hinauf in ein armseliges Kämmerlein, das gleichzeitig als Schreibstube und Bibliothek diente. Es roch stark nach dem Hopfen, den man auch hier hinter die Bücher gestreut hatte.
Zwei Nonnen saßen an ihren Schreibpulten und kopierten im Licht des grauen Tages, das von Öltüchern gefiltert ins Zimmer fiel, und beim zusätzlichen Schein zweier flackernder Öllämpchen, mit ihren Gänsekielen mühsam über das Pergament kratzend, eine Heiligenvita und verschiedene Gebetstexte. Ein sehr junges Mädchen machte mit seinem hölzernen Griffel Schreibübungen auf einem Wachstäfelchen.
Wirkte schon das Skriptorium recht kümmerlich, so war meine Enttäuschung noch größer beim Anblick der sogenannten Bibliothek. Sie bestand aus zwei Büchergestellen an den fensterlosen Wänden der Schreibstube, auf deren einem etliche schwerwiegende Folianten mit dem Buchrücken nach oben auf ihren hölzernen Einbänden ruhten, während sich im anderen verschiedene Sammelwerke auftürmten.
Die Pförtnerin stellte uns die Schwester vor, der die Fürsorge für die geistige Nahrung der Nonnen oblag, und betonte, dass ich ein Abgesandter des Papstes sei und mich über Zucht und Ordnung des Klosters informieren wolle. Dabei schien sie der anderen in heimlichem Einverständnis Zeichen zu geben, die zu entschlüsseln mir allerdings erst später gelang.
Die Bibliothekarin wurde mir als Schwester Relindis vorgestellt. Sie war eine ältere Frau, was ich zwar nicht an ihrem grauen Haar erkennen konnte, das vollständig unter dem Nonnenschleier verborgen war, aber an den Runzeln und Unmutsfalten in ihrem Gesicht, die durch die Strenge des Habits noch verstärkt wurden. Ihr Antlitz wirkte wie einer jener schrumpeligen Äpfel, die ich beim Herreiten noch vereinzelt an den Bäumen gesehen hatte, und ihr Mund sah aus, als ob sie in eine Zitrone gebissen hätte. Darüber hinaus schien sie mir etwas verwachsen zu sein, klein und bucklig, mithin ein Mensch, der nicht mit Schönheit begabt war und dessen Qualitäten zur Gänze innerlich sein mussten. Vielleicht hatten diese Gaben und Ungaben sie dazu gebracht, ihr Leben nicht in der Welt zu verbringen, sondern Gott zu weihen. Wie ernst es ihr damit war, sollte ich rasch erfahren.
Schwester Relindis sprach zu meinem großen Erstaunen Latein, sodass ich Antonio fortschicken konnte, der nur zu gern der Pförtnerin in die Küche folgte.
Nachdem wir uns die wenigen Bücher angeschaut hatten, die sich in den Regalen der Bibliothek aufhielten, und ich ihr bestätigt hatte, dass all die Heiligenbücher, Gebetssammlungen, Psalter und Antiphonare die Billigung des Papstes, ja seinen ausdrücklichen Segen fänden, bekräftigte sie, dass sie in ihrer Bibliothek – wobei sie stolz das Possessivpronomen betonte – niemals heidnische Schriften dulden würde, was ich ihr zu meinem Bedauern sofort glaubte.
Da ich jedoch den Eindruck hatte, dass die Nonne einiges auf dem Herzen trug, was sie dem Visitator des Papstes gern erzählt hätte, und gleichzeitig die Hoffnung hegte, von ihr vielleicht etwas über die verschwundene Frau zu erfahren, lobte ich ihre Büchersammlung in den höchsten Tönen, des Weiteren ihr gutes Latein (das mir, je länger wir sprachen, um so jämmerlicher erschien), sodass sie mir sehr geschmeichelt verriet, sie sei die Tochter eines Adligen aus dem Thurgau, habe aber schon als Kind die Berufung zum Kloster gefühlt und sei folglich bei den Augustinerinnen eingetreten. Sie habe immer fleißig gelernt in der Klosterschule, die zu ihrer Jugend noch in voller Blüte gestanden habe, nicht so wie
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