In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
und mir schienen die harmlosen Karnevalsvergnügungen der Äbtissin kein Teufelswerk zu sein, wenn ich daran dachte, wie manche Prälaten diese Tage gefeiert hatten, doch ich bestätigte meiner Denunziantin mit gramvoll gebeugtem Haupt die Verwerflichkeit solchen Wandels, was sie schließlich dazu brachte, ihren höchsten Trumpf auszuspielen.
Sie sei, so erzählte sie mir dicht an mein Ohr gebeugt, vor Kurzem in der Wohnung der Äbtissin gewesen, um ihr ein Buch zu bringen. Diese habe aber noch auf dem Abort verweilt, sodass sie Zeit gehabt habe, sich etwas umzusehen. Auf eine Eingebung Gottes hin habe sie eine Truhe geöffnet, und man könne sich nicht vorstellen, was sie dort sehen gesehen habe: Spitze Frauenschuhe, Hemden, die nicht dem Orden gleichsahen, Kordeln für Gürtel mit goldenen Anhängern, ein Mieder, um die Brust aufzuschirren, Männerbadehemden und verschiedene Schlüssel. Daneben seien mehrere Briefe gelegen, von denen sie rasch einen an sich genommen habe, bevor Magdalena zurückgekommen sei.
Dann zog Relindis, die mir im Zucken des Öllichtleins mit ihrem zerfurchten Gesicht immer mehr einer Rachegöttin zu gleichen schien, ein zusammengefaltetes Pergament aus ihrem Gewand und legte es mir aufgefaltet hin. Es war ein Brief mit einem roten Siegel daran, in einer schönen, geschwungenen Handschrift verfasst, allerdings auf Deutsch. Bevor ich ihn genauer betrachten konnte, nahm sie ihn zur Hand und begann, mir seinen Inhalt ins Lateinische zu übersetzen, und zwar erstaunlich flüssig. Offensichtlich hatte sie sich auf ihren Verrat gut vorbereitet, hatte in Gedanken schon viele Male ihre Beichte abgelegt und dem Vertreter des Papstes oder des Bischofs die schändlichen Worte dieses infamen Briefes auf Lateinisch wiedergegeben.
Es handelte sich um einen Liebesbrief und ein daran angehängtes Liebeslied, geschrieben von einem Costentzer Franziskanerbruder mit Namen Jodocus Suntheim an die Äbtissin Magdalena Muntprat. Da ich ihn hernach übersetzen und kopieren ließ, will ich dir diese launigen Worte, die meine gute Bibliothekarin so in Rage versetzten, nicht vorenthalten:
›Einen guten, seligen Tag und eine fröhliche Woche und alles, was dich, mein allerliebstes Herzenslieb erfreuen mag und damit auch mich, wünsche ich dir aus dem tiefsten Grund meines dir immer treuen Herzens. Freundliches, begehrliches Lieb, dass dich mein letztes Schreiben gefreut hat, ist mir wahrlich auch eine Freude und ein Trost. Und du sollst wissen, dass wahr ist, was ich dir heuer auf Jacobi versprochen habe: Sollt ich wohl hundert Weihnachten leben, so wollte ich dir immer die Treue halten. Du sagst immer, mein herzensliebes und freundliches Mägdelin, ich soll dir treu sein, denn du seiest noch eine saubere Alte. Das ist wohl wahr, und ich wollte, wenn ich dich nach Herzenslust genossen habe und dann von dir wegginge, dass man mir gleich das Haupt abschlüge. Ich sende dir auch Röslein aus unserem Garten, setz sie in Sand, damit du sie immer vor dir siehst. Gott danke dir recht treulich für deine Lebkuchen und alle Tugend.
Vale, mein liebes Lieb. Joß von Suntheim, dein allerliebster und herzenstreuer Gevatter.‹
Auch das Liedlein, das sich an den Brief anschloss, fand keineswegs die Billigung der gestrengen Relindis:
›Mich freuet, Lieb, dein Aneblick,
davon bin ich besessen.
Ich bin gejagt an deinen Strick,
und kann dich nicht vergessen.
Tag und Nacht hab ich kein Ruh,
daran sollst du gedenken
und sollst die Lieb erkennen nun,
von dir will ich nicht wenken.
Ohn arge List, so mein ich dich,
zart Frau, und anders keine.
Deine Gestalt bezwinget mich,
dass ich dich lieb alleine.
Und hätt ich aller Wünsch Gewalt,
nichts Liebres würd ich wünschen,
allein, zart Frau, deine gute Gestalt,
die lass mich, Frau, genießen.‹
Das Liedlein hatte noch manch weitere Strophe, doch was ich dir zitiert habe, scheint mir deutlich genug, um zu verstehen, dass die sittenstrenge Bibliothekarin ein unschätzbares Dokument wider die Äbtissin in der Hand hatte.
Nun kamen mir tausend Möglichkeiten in den Sinn. Wenn Magdalena Muntprat solch ein unsittliches Leben führte, dann war es durchaus vorstellbar, dass sie mit jemandem wie Jakob Schwarz bezüglich seiner Sittenlosigkeit gemeinsame Sache machte. Simon Ringlin, der Vater der unglückseligen Lucia, hatte erzählt, dass Schwarz Kontakt zur Familie Muntprat hatte. Warum also nicht auch zu Magdalena, der Schwester von Luitfried Muntprat? Ob Lucia
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