In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
heute, wo keiner sich mehr um richtiges Latein bemühe und die Jugend nicht mehr die alten Schriften auswendig, geschweige denn das Schreiben lerne. Die junge Novizin, die auf ihrem Wachstäfelchen herumkratzte, stelle eine große Ausnahme dar.
Dann bat sie mich in einen kleinen Nebenraum, damit sie ungestört mit mir reden könne.
Dort stand ein weiteres Schreibpult, hinter dem sie sich niederließ, während sie mir einen Stuhl davor anbot.
Sie schien sich wie bei der Beichte zu fühlen, und ich sah keine Veranlassung, sie darüber aufzuklären, dass ich keinerlei priesterliche Befugnis habe. So fuhr sie – nun ohne Zeugen – fort, sich über die Sitten im Kloster zu beklagen, und vermutlich war sie sich darin mit der verdrießlichen Pförtnerin einig.
Sie bemängelte das schlechte Essen, das der Konvent bekäme – das ganze Jahr sauren Wein, saures Kraut und saure Rüben, höchstens ab und zu ein Stückchen Rindfleisch, Fisch oder ein Ei, ansonsten Gerstensuppe, gekochte Apfel- und Birnenschnitze, und graues Brot dazu. Auch würden alle Speisen für den Konvent ohne Gewürz gekocht, außer in der Zeit der Aderlässe ein wenig oder an der Frau Mutter Namenstag. Sonst bestünde alles Gewürz in Salz und Erbsenbrühe. Mit diesen weißen Erbsen werde schier alles gekocht. Für die Gäste und die Äbtissin hingegen sei Essen im Überfluss da, auch Gewürz, Zitronen und Kapern.
Sie fasste immer mehr Vertrauen, und so erfuhr ich, dass sie eigentlich bei ihrem Eintritt ins Kloster geglaubt hatte, zu gegebener Zeit selbst Äbtissin zu werden, dass aber dann der reiche Kaufmann Muntprat dem Bischof von Costentz, dem das Kloster unterstand, eine ordentliche Summe gezahlt hatte, damit dieser seine Tochter zur Leiterin des Konvents erhob. Dieselbe war ebenfalls schon in jungen Jahren nach Münsterlingen gekommen, allerdings war sie wohl um zehn Jahre jünger als die arme Relindis und hatte auch keine Berufung gefühlt, sondern war von ihrem Vater zu diesem Leben bestimmt worden, damit wenigstens eine seiner Töchter versorgt wäre, ohne dass er ihr eine zu große Mitgift bezahlen musste.
Nachdem sie sich noch einmal vergewissert hatte, dass die Tür zum Skriptorium gut verschlossen war, öffnete sie mir noch weiter ihr Herz und gab mir ihre geheimsten Kümmernisse preis.
Die Frau Mutter, deren Klostername Maria Magdalena war, sei immer schon anmaßend gewesen und habe von Anfang an die Regeln des Konvents nicht respektiert. Der Name, der ihr von der vorigen Äbtissin verliehen worden war, sei wie ein Omen gewesen, nur dass sie bisher nicht wie Maria von Magdala Reue über ihren Lebenswandel zeige. Eine gewisse Klugheit könne man ihr nicht absprechen, sie habe auch Latein gelernt, aber sie mache schlechten Gebrauch von den Gaben, die Gott ihr verliehen habe. So zögere sie nicht, unsittliche Werke, ja gar Schriften von verwerflichen Dichtern des Altertums zu lesen, die sie in der Äbtissinnenwohnung horte, wohl wissend, dass Relindis solche Auswürfe der Hölle niemals in ihrer Bibliothek dulden würde.
Meine Neugier auf die Mutter Oberin wurde durch diesen Bericht erst richtig geweckt, wie du dir denken kannst, schien sie mir doch wenigstens im Hinblick auf die alten Schriften eine Schwester im Geiste zu sein. Und natürlich fragte ich mich, welche antiken Schätze sich wohl in der Wohnung der Klostervorsteherin verbergen mochten und wie ich dort hineingelangen könnte. Über meiner wiedererwachten Jagdbegierde hätte ich beinahe den Grund meines Besuches vergessen. Dem Ziel, vielleicht etwas über das Schicksal der armen Lucia zu erfahren, war ich noch um keinen Deut näher gekommen. Zumindest schien es mir so.
Doch die schwäbische Megäre war noch nicht am Ende ihres Furors angelangt. Sie begann nun, mir zu schildern, welch abscheuliche Missbräuche an der Fastnacht im Kloster getrieben worden waren. Vom Unsinnigen Donnerstag bis zum Dienstag, der auch Bauernfastnacht genannt werde, seien viele Gäste in der Wohnung der Äbtissin aus und ein gegangen, Männer wie Frauen, alle der Welt gehörig, und dem ganzen Konvent und den Fremden seien im Überfluss Küchlein, Leberwürste, Sülze und gesottene Hühner aufgetragen worden, dazu vom besten Wein, und man habe gegessen und getrunken von Mittag bis Mitternacht, dazu habe es Musik und alle erdenkliche Kurzweil gegeben. Wie es hernach bei der Mette jeweils zugegangen sei, könne man sich denken.
Ich dachte mir, dass wahrscheinlich die meisten geschlafen hatten,
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