In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Marktstätte und den Bleicherstaad hoch. Die meisten Häuser dort besaßen keine Keller, weil sie auf Pfahlrosten erbaut waren, doch das Wasser floss in die Werkstätten und Warenlager im Erdgeschoss, es überschwemmte die Marktstände und Krämerbuden auf Plätzen und Straßen und trug alles mit sich fort, was in seinen Weg kam.
Die Menschen versuchten, ihre Habe vor den gefräßigen Fluten in Sicherheit zu bringen. Im Licht der Fackeln befahlen die Kaufleute brüllend ihren Knechten, die verderblichen Waren schnell in höhere Gefilde zu tragen, die Mägde kreischten, um ihre Angst und das Pfeifen des Windes zu übertönen, während sie Lebensmittel, Wäsche und Kleinkinder in die oberen Stockwerke der Häuser beförderten, die Träger im großen Kaufhaus schleppten im Laufschritt die Tuchballen und Getreidefässer unter das gewaltige Dach des Gebäudes, überall hörte man Schreien und Weinen, Beten oder Fluchen.
Als es doch noch irgendwann Tag wurde, mit trübem, grauem Dämmerlicht, standen die Krämer und Marktleute entsetzt vor den armseligen Überresten ihrer Buden. Mühsam suchten sie im schmutzigen Wasser Stangen und Plachen und Bretter zusammen, um sie vorläufig an irgendeinem trockenen Fleck zu lagern, wo sie abwarten wollten, bis der Sturm vorüber sein würde.
Der Stadtvogt rief eine Truppe aus Knechten und Handwerkern zusammen, die versuchen sollten, den hölzernen Damm an der Rheinbrücke zu beseitigen, zum einen, um die Fluten in ihre natürliches Bett zurückzuleiten, zum anderen, um ein Einknicken der Brückenpfeiler vor den anstürmenden Holzmassen zu verhindern. Unter strömendem Regen marschierten an die 20 Mann mit Flößerhaken und Äxten bewaffnet durch die Niederburg zur Brücke. Von dort ließen sich die Mutigsten von ihnen an Seilen hinab und hieben und hackten auf die glitschigen Stämme ein, doch es war, wie wenn ein Vöglein seinen Schnabel an einem diamantenen Berg wetzt, und eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis es ihnen gelang, auch nur einen einzigen Baum zu zerhacken und die einzelnen Stücke an Seilen nach oben zu geben, damit sie fortgebracht werden konnten. Nach und nach traf Verstärkung ein, die umliegenden Klöster schickten Knechte, der König seine Soldaten, ja sogar aus Allenspach und Gottlieben kamen Männer, die an verschiedenen Stellen versuchten, den Wall aus Treibholz zu durchbrechen und dem Wasser einen Weg zu bahnen. Für einmal gab es keine Ranküne unter den verschiedenen Gruppen, Deutsche schufteten neben Ungarn, Costentzer neben Klosterleuten, leibeigene Knechte neben freien Bürgern. Regen und Unbill ließen sie zusammenstehen und zusammen kämpfen, und obwohl der Wind nicht nachließ und das gepeitschte Wasser immer weitere Baumstämme heran trieb, gelang es ihnen nach vielen Stunden mühseligen Schuftens, wenigstens einen Teil der Brücke von der gefährlich drückenden Masse zu befreien, sodass das Wasser hier endlich seinen Weg fand. Mehrere Männer blieben an Seilen über dem Wasser schweben und stießen neu herandrängende Stämme mit langen Bootshaken zwischen den Brückenpfeilern hindurch, um ein erneutes Verkeilen abzuwehren. Sie wechselten sich häufig ab, denn nach kurzer Zeit blieb ihnen von der beschwerlichen Arbeit und dem Hängen am Seil die Luft weg.
Auf der Brücke hatten sich trotz des fortdauernden Regens viele Menschen eingefunden, die von dem schrecklichen Damm gehört hatten und diesen nun mit eigenen Augen sehen wollten. Sie sahen den Arbeiten interessiert zu und gaben Kommentare ab, wie alles besser zu machen sei. Schließlich verlor Hanns Hagen die Geduld und wies einige seiner Knechte an, die Schaulustigen fortzuschicken und an beiden Seiten der Brücke darauf zu achten, dass nur solche Leute auf die Brücke gelangten, die tatsächlich zur anderen Seite gehen wollten.
Einer dieser Passanten war Poggio Bracciolini, der rasch von Petershausen zurück in die Stadt eilte.
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Poggio Bracciolini an Niccolò Niccoli, am 21. April, dem Tag des Heiligen Januarius, im Jahre des Herrn 1415
Mein lieber Niccolò,
es scheint fast, als ob Gott die Costentzer dafür bestrafe, dass das Konzil den Papst in die Flucht getrieben hat. Seit Tagen schon regnet es ununterbrochen, und am vergangenen Freitag ist eine wahre Sintflut über die Stadt hereingebrochen. Der Sturm trieb mit dem Wasser eine große Menge Holz über den See herbei bis an die Rheinbrücke, wo es sich zu einem regelrechten Damm auftürmte, der wiederum das Wasser
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