In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
zurückstaute, sodass es in die Stadt hinein floss. Auch unser geliebtes Florenz hat ja oft unter Hochwassern zu leiden, du kennst wie ich die Tafel am Ponte Vecchio, die von der Flut des Jahres 1333 berichtet, bei welcher der Arno alle Brücken niedergerissen und viele Häuser in der Stadt überschwemmt hat. Unsere Brücken und Häuser waren jedoch aus Stein, während die Rheinbrücke hier in Costentz gänzlich aus Holz gebaut ist, wie auch die meisten Häuser nicht nur hölzerne Pfahlfundamente, sondern auch Mauerverstrebungen aus Holz haben. So mussten die Menschen hier einerseits zittern, weil sie Angst hatten, der wilde Strom und seine Fracht aus Bäumen könnten ihre Brücke fortreißen, andererseits mussten sie hilflos zusehen, wie das Wasser in die Stadt eindrang, um ihre Häuser zu unterspülen und die gelagerten Waren zu zerstören. Der Stadtvogt hat mit einer großen Kompanie von Helfern versucht, wenigstens die Gefahr für die Brücke zu beseitigen, indem die Männer an Seilen hängend die Balken zerschlugen, und am Ende ist es ihnen auch gelungen, wenigstens einen Teil der Brückenpfeiler freizubekommen und dem Wasser wieder einen Durchgang zu verschaffen.
Doch nicht alles Unglück kommt nur, um zu schaden. Welch ein Glücksfall die Überschwemmung für mich war, sollst du nun hören.
Ich hatte Dir ja von meinem Plan berichtet, den Franzosen einen Besuch abzustatten, um auf irgendeine Weise in den Besitz der Cicero-Reden zu gelangen. Doch denselben Gedanken hatte auch der Kardinalbischof von Ostia, Johann von Brogny, mein derzeitiger Arbeitgeber. So ließ er mich vor einigen Tagen, noch vor der Überschwemmung, mitten in der Nacht zu sich rufen.
An dieser Stelle muss ich einen Exkurs machen, um Dir eine traurige Nachricht zu überbringen: Manuel Chrysoloras ist gestorben. Ich weiß, dass Deine Verehrung für ihn in den letzten Jahren nachgelassen hat, dass Du ihn einige Male sogar mit spöttischen Worten bedacht, ja einen Lausebart genannt hast, doch bin ich überzeugt, dass hier mein Niccolò den Juvenal gemimt und seiner satirischen Ader freien Lauf gelassen, während er doch in Wahrheit den alten Griechen als Lehrer und Befruchter der westlichen Kultur hoch geschätzt hat. Pier Paolo Vergerio hat die Leichenrede gehalten, und er hat den Toten in seiner ganzen Bedeutung gewürdigt.
An jenem Abend nun saß ich mit meinen hiesigen Freunden in der Schänke, um auf das Seelenheil von Chrysoloras anzustoßen, als ich zu Brogny gerufen wurde. Pier Paolo selbst war es, der mir die Nachricht überbrachte, dass der Kardinal mich unbedingt sprechen wolle, und nur mich. Verwundert ob dieser Exklusivität – ich bin ja erst seit Kurzem in seinen Diensten – ging ich rasch zum Stauf , wo ich schon ungeduldig erwartet wurde. Zunächst schmeichelte Brogny mir mit lobenden Worten wegen meiner Bücherfunde in verschiedenen Klöstern. Er sagte, wenn die Alten dem Äskulap einen Tempel geweiht hätten, dafür, dass er den Hippolytos aus der Unterwelt heraufbeschwor, welcher Ehre wäre dann ich würdig, der schon so viele herrliche Männer aus dem Grabe errettet habe? Ein derart eifriger Freund antiker Schriften wie ich werde sicher verstehen, dass eine so wertvolle Handschrift wie die Cicero-Schrift aus Saint Wandrille nicht in falsche Hände geraten und schnöde zum Spielball politischer Händel werden dürfe. Dann begann er – wohl wegen der in der Konzilsstadt allgegenwärtigen Spione – zu flüstern. Er habe soeben erfahren, wer der Hüter des Ciceronischen Schatzes bei den Franzosen sei, verriet er mir, nämlich der Abt von Saint Wandrille selbst, Jean de Bouquetot. Der habe bei seinen benediktinischen Brüdern im Kloster Petershausen Unterkunft gefunden, wo er im Gästehaus direkt neben der Rheinbrücke wohne. Dann drückte mir Brogny einen prall gefüllten Beutel in die Hand und bat mich, Bouquetot sofort aufzusuchen und ihm den Beutel für den Cicero zu bieten.
Du kannst dir meine Bestürzung vorstellen darüber, dass ausgerechnet ich mit dieser Aufgabe betraut wurde. Ich fühlte mich wie ein Wolf, der zum Hüten der Schafe abgeordnet wird und dabei das ganze Vertrauen des Hirten genießt. Zunächst versuchte ich Zeit zu gewinnen, indem ich zu bedenken gab, dass um diese nächtliche Stunde der Abt sicher schon zur Ruhe gegangen sei und, so jählings aus dem Schlafe gerissen, womöglich schlechter Laune und damit weniger geneigt sein könnte, einer solchen Rettungstat zuzustimmen. Der Kardinal
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