In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
insistierte jedoch, dass ich sogleich gehen müsse, denn wir müssten uns eilen, damit uns nicht jemand anderes zuvorkäme. Außerdem würden manche Taten nach dem gnädigen Schutze der Nacht verlangen. So wagte ich nicht abzulehnen, und vielleicht hatte die Situation ja auch ein Gutes. Ich glaubte nicht wirklich, dass der Abt von Saint Wandrille auf den Handel eingehen würde, egal, wie viele Dukaten sich in dem Beutel befinden mochten (es waren übrigens um die 300). Aber ich würde dem Cicero näher kommen und vielleicht doch irgendeine Möglichkeit finden, ihn an mich zu nehmen. Also erklärte ich mich zu der Mission bereit.
Noch in derselben Stunde machte ich mich trotz Regens mit einer Fackel und einem Geleitbrief des Kardinals auf den Weg durch die Niederburg nach Petershausen. Meine Müdigkeit und Trauer waren wie weggeblasen, die Aussicht, womöglich schon bald den Cicero in meinen Händen zu halten, gab mir wundersame neue Kräfte. So verließ ich die Stadt, deren Tore immer noch streng bewacht werden, aber mit meinem Sendschreiben, das die Torwächter zwar nicht lesen konnten, dessen Siegel sie aber erkannten, ließ man mich passieren. Ich eilte über die Brücke und sah an deren Ende am rechten Ufer ein großes steinernes Haus stehen. Doch um diese Zeit waren alle Fenster dunkel und die Läden gegen das Eindringen von Kälte und Regen geschlossen. Was sollte ich tun? Wie sollte ich herausfinden, in welchem Stockwerk der Abt von Saint Wandrille logierte, ohne das ganze Haus aufzuscheuchen, und wie ohne Aufsehen zu ihm gelangen?
Als ich die Brücke überquert hatte, unter der das Wasser toste und an den Pfählen rüttelte, sah ich, dass im Torbogen, der in den Innenhof des Gästehauses führte, zwei Bewaffnete standen, oder sollte ich eher sagen, halb schlafend am Gewände lehnten und sich an ihren Lanzen festhielten. Ich verharrte und nahm mir einen Augenblick Zeit, um zu überlegen, was ich ihnen sagen sollte. Im Grunde hatte ich nicht erwartet, dass der Petershauser Abt in diesen unruhigen Zeiten des Konzils auf eine Wache verzichten würde, vor allem seit Sigismund mit seinen Ungarn in Petershausen einquartiert war, doch war ich nicht wirklich auf diesen Fall vorbereitet. Schließlich fasste ich mir ein Herz und sprach die beiden an, die sofort ihre Lanzen kreuzten und erschrocken nach meinem Begehr fragten. Offenbar hatten sie tatsächlich geschlafen, im Stehen, wie die Pferde.
Ich zeigte auch ihnen den Brief und versuchte, den beiden Barbaren, die natürlich weder Latein noch Italienisch sprachen, durch Handzeichen und mit meinen inzwischen doch recht annehmbaren Deutschkenntnissen klar zu machen, dass ich eine sehr eilige Nachricht des Kardinalbischofs von Ostia für den Abt von Saint Wandrille hatte. Sie unterhielten sich einen Augenblick, dann gaben sie den Weg frei, und einer von ihnen ging mir durch den Innenhof voraus zu einer ebenerdigen Kammer, die zum Rhein hin lag. Dort klopfte er an das Tor, aus dem nach einiger Zeit ängstlich ein verschlafener Diener hervorlugte. Der Wächter zog sich wieder ans Tor zurück, und ich versuchte nun dem barfüßigen Jüngling mit der Tonsur zu erklären, dass ich unbedingt seinen Abt sprechen müsse. Der junge Benediktiner verstand glücklicherweise Latein, sodass ich mich schon am Ziel glaubte, doch trotz einwandfreier Verständigung weigerte er sich hartnäckig, mich zu seinem Herrn vorzulassen. Der schlafe schon tief und fest und werde sehr wütend, wenn man ihn vor der Prim wecke. Dies wäre wiederum nicht sehr förderlich für mein Anliegen gewesen, sodass ich mich endlich entschloss, ihm den Brief dazulassen, in welchem Brogny zwar nicht konkret geschrieben hatte, worum es ging, aber die Bitte aussprach, seinem Sekretarius, also mir, in einer gewissen Sache zu Diensten zu sein. Der vor Kälte zitternde Jüngling versprach, den Brief zu übergeben und riet mir, nicht schon am folgenden, sondern am übernächsten Tag wiederzukommen. Am kommenden Tag sei eine Versammlung aller beim Konzil anwesenden Benediktineräbte geplant. Aber am Freitag sei sein Abt zu sprechen, am besten eine Stunde nach Laudes.
So kehrte ich unverrichteter Dinge zu Brogny zurück, worüber der gar nicht erfreut war, aber ich tröstete ihn mit der Hoffnung auf einen erfolgreichen Ausgang unseres Unternehmens am Freitag.
Doch dann kam die große Flut. Früh am Morgen schon wurde von den Kirchtürmen Sturm geläutet, Wind und Regen heulten und tosten um die Häuser. Ich war froh,
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