In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
auf dem Münsterhügel zu wohnen, dazu noch im ersten Stock der Bischofspfalz, sodass zumindest das Hochwasser mir und meinen Büchern nichts anhaben konnte. Die Fensterläden hatte ich fest verschlossen, dennoch hatte ich die Nacht über kaum geschlafen, wegen des Sturms und weil ich meine Gedanken nicht von Cicero abwenden konnte, den ich am folgenden Morgen endlich in Empfang zu nehmen hoffte.
Trotz des fürchterlichen Wetters machte ich mich zur vereinbarten Stunde auf den Weg. Die Brücke zu überqueren war der schwierigste Teil. Die Wächter am Rheintor wollten mich diesmal einfach nicht passieren lassen, denn der Stadtvogt Hanns Hagen hatte sie instruiert, die Passanten vom Betreten der Brücke abzuhalten, wohl um sie vor der Gefahr durch Regen und Sturm zu schützen. Schließlich gelang es mir jedoch, den Vogt auf mich aufmerksam zu machen, und da er mich kannte, gab er seinen Leuten ein Zeichen, sodass ich endlich meinen Weg fortsetzen konnte. Doch auf der Brücke selber wehte der Sturmwind so heftig, dass ich meinen Mantel festhalten und mich selbst gleichzeitig an das Brückengeländer klammern musste, damit wir beide nicht vom Wind fortgetragen wurden.
Zuguterletzt stand ich wieder vor dem Gästehaus. Die Wächter hatten ihre Posten verlassen, und noch bevor ich in den Torbogen trat, verstand ich auch, warum. Die Wasser des Rheins hatten die kleine Mauer überwunden, die das Kloster vom See trennt, und waren durch Mauerritzen und über Abwasserkanäle in Haus und Hof eingedrungen. Alles war kniehoch von einer schmutzigen Brühe bedeckt, in der wie in einem Suppenkessel allerlei unflätige Dinge schwammen. Wie wir das aus Venedig kennen, hatte man versucht, rund um den Innenhof und durch den Torbogen bis zur etwas höher gelegenen Straße ein paar hölzerne Bohlen über aufgestapelte Ziegel und Holzblöcke zu legen, damit man wenigstens trockenen Fußes aus dem Haus gelangen konnte. Alles lief und schrie durcheinander. Das Gebäude war offenbar über und über mit Benediktineräbten aus aller Herren Länder belegt, sodass man sie nicht nur in der Abtswohnung im ersten Stock einquartiert hatte, sondern auf allen Geschossen, auch ebenerdig, wo sich sonst Küchen, Lagerräume und Ställe befanden. Eben hier hatte auch Jean de Bouquetot mit seinen Brüdern aus Saint Wandrille Logis gefunden, in einem Raum genau neben der Küche, der sonst als Speiseraum für das Gesinde genutzt wurde und den Vorteil hatte, dass er von der Küche ein wenig mitgewärmt wurde.
Doch an diesem Tag war alles anders. Nachdem ich vorsichtig über den Holzsteg in den Innenhof balanciert war, sah ich, dass das Tor, an dem ich mich zwei Nächte zuvor mit dem zitternden Jüngling unterhalten hatte, weit offen stand, während Mönche mit hochgebundenen schwarzen Kutten durch das Wasser stapften und versuchten, Möbel und andere Gegenstände zu retten, indem sie sie über eine hölzerne Treppe ins Obergeschoss trugen. Ich gelangte über den Steg bis zum Tor und schaute in den Raum hinein. Dort stand ein kräftiger Mann mit breiten Schultern und langen Armen breitbeinig im Wasser und versuchte, eine schwere Truhe hochzuheben, was ihm trotz seiner Statur eines Herkules jedoch nicht gelang. Auch er hatte sein schwarzes Habit hochgeschürzt. Offenbar glaubte er, ich sei ein weiterer Helfer und schrie mich an, ich solle gefälligst an der anderen Seite anpacken. Sein Latein hatte wie das des Jünglings vom Vorabend einen typisch französischen Akzent. Noch bevor ich ihm erklären konnte, wer ich war und dass ich aufgrund meiner Gicht keine schweren Lasten heben darf, kam eben jener Jüngling die Treppe herabgelaufen, sprang ins Wasser und watete durch das Tor. Als er meiner gewahr wurde, rief er aus: ›Herr Abt, Herr Abt, das ist der Mann, dessen Brief ich Euch übergeben habe!‹, und nun schauten wir beide verwundert drein, ich, weil der Herkules offenbar Jean de Bouquetot war, den ich mir ganz anders vorgestellt hatte, und er, weil ihn in diesem Chaos ein Gesandter des Kardinalbischofs von Ostia aufsuchte. Doch er fing sich schnell wieder und sagte, er habe jetzt keine Zeit, ich sähe ja wohl, was hier los sei. Dann schrie er den jungen Mönch an, er solle ihm helfen mit der Truhe, worauf jener schnell gehorchte. Zumindest versuchte er es, doch sein Bemühen war umsonst, die Truhe bewegte sich nur auf Bouqetots Seite ein wenig, als sie stöhnend versuchten, sie hochzuheben. Darauf schrie der Abt seinen Adlatus an, er solle Bruder Antoine
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