In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
beide viel verdanken. Nein, mein Freund, deine Rede war makellos, ich hätte ihr nichts hinzuzufügen gehabt. Was zu sagen war, hast du gesagt. Chrysoloras wäre auch des höchsten Priesteramtes würdig gewesen.«
»Ja, das wäre er, doch nun ruht er für immer bei den Dominikanern. Ich kann mich nicht zu euch gesellen, ich bin gekommen, um dich zu holen. Dein Diener sagte mir, dass ich dich hier finde, denn der Kardinal ruft nach dir. Es scheint, dass du einen Brief für ihn schreiben und überbringen musst.«
»Mitten in der Nacht?«, fragte Giovanni ungläubig.
»Ja, er arbeitet häufig nachts«, bestätigte Poggio. »Aber das bin ich gewöhnt, bei Johannes war es nicht anders. Warum kannst nicht du ihm diesen Dienst erweisen, Pier Paolo?«
»Es sagte, es gehe um etwas, worüber er mit dir gesprochen habe. Aber er wollte mir nicht sagen, was es damit auf sich hat.«
Ahnungsvoll stand Poggio auf und machte sich auf den Weg zu seinem neuen Arbeitgeber, um den nächtlichen Auftrag auszuführen.
Zwei Tage später wurde die Stadt überschwemmt. Am Abend des Donnerstags hatte der Himmel noch für kurze Zeit mit Regnen innegehalten und bald den einen, bald den anderen Stern durch die Wolken blitzen lassen, sodass mancher schon zu hoffen begann, das Unwetter sei endlich vorüber. Doch es war nur ein Kräftesammeln gewesen. Um Mitternacht drehte der Wind erneut, es kam Ostwind auf, ein Sturmwind, der eine ganze Armee von schwarzen Wolken vor sich her über den See auf Costentz zu trieb. Mond und Sterne versanken, und als es dämmern sollte, schien selbst das Morgenlicht von der Schwärze aufgefressen. Die finstere Nacht wollte nicht zu Ende gehen, und die Menschen dachten in banger Erinnerung an die Passionsgeschichte, die sie vor noch nicht langer Zeit am Karfreitag gehört hatten, »und von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das Land bis zur neunten Stunde«. Die einfachen Leute glaubten, dass nun der Hochmut der Prälaten und die Freveltaten der Ketzer bestraft würden, während die hochmütigen Prälaten sehnsüchtig daran dachten, wie viel angenehmer es jetzt wäre, einen Sonnenaufgang in südlichen Gefilden zu erleben.
Regen setzte ein, kalter, stechender, peitschender Regen, der von Osten her über die Stadt fegte, aber der Sturm jagte nicht nur die Wolken vor sich her, sondern auch die Wellen des Sees, die zu immer höheren Wogen anwuchsen, je näher sie der Stadt kamen, und auf ihnen tanzte das Holz, Baum an Baum, so viele Stämme, dass man zehn mächtige Häuser damit hätte bauen können. Mit Grausen hörten die verängstigten Menschen in der Stadt, wie das Heulen des Windes übertönt wurde vom Grollen der Stämme, die gegen den Palisadenzaun am Hafen donnerten, sie hörten, wie das Wasser seine hölzerne Fracht mit dumpfem Poltern die Pfosten entlang schleuderte, wo einzelne Bäume sich verhakten, von anderen eingeklemmt und weiter gestoßen wurden, sodass sie schließlich die ächzenden Pfähle mit sich fortzerrten, bis am Ende mit einem entsetzlichen Knall die Kette zerriss, die den Zaun zusammenhielt. Der Wächter im Luckenhäusle läutete in höchster Not das Nebelglöcklein, doch keiner wagte es, ein Boot zu besteigen, um ihn in Sicherheit zu bringen. Das Holz tobte triumphierend weiter, der gewaltigen Strömung des Rheins folgend, zur Brücke, wo es an den wuchtigen Pfählen zum ersten Mal einen echten Widerpart fand, sodass es sich verkeilte. Die ersten Stämme legten sich kreuz und quer vor die nachfolgenden, bis sie schließlich einen undurchdringlichen Damm bildeten. So fand das wilde Wasser keinen Ausgang mehr, es toste und strudelte und wirbelte herum und suchte sich schließlich seinen Weg nach anderen Seiten. Die niedere Mauer, die das Klosterdorf Petershausen am Nordufer des Rheins schützen sollte, war bald überflutet, doch die hohe Costentzer Mauer hielt dem Wasser stand, sodass es zurückströmte, an der Predigerinsel vorbei in den Hafen vor dem Kaufhaus. Dort befand sich die Achillesferse der Stadt, besser gesagt, sie hatte deren zwei: Auf den beiden Seiten des Kaufhauses befanden sich Brücken, die das Gebäude mit den daneben stehenden Toren verbanden. Ihre steinernen Bögen waren zwar durch Fallgitter gegen den Einfall menschlicher Feinde gesichert, dem Wasser konnten diese jedoch keinen Widerstand bieten. So strömte das Seewasser in die Stadt, stieß in den inneren Graben vor, der vom Regenwasser schon übervoll war, und schwappte, vom Wind getrieben, die
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