In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
bestrafen.
Anschließend verlas Kardinal D’Ailly noch einmal die Artikel, die Hus zur Last gelegt wurden, und verlangte von ihm ein letztes Mal, ihnen abzuschwören. Man nennt D’Ailly auch ›den Adler von Frankreich und Hammer der Ketzer‹, und diesen Namen machte er alle Ehre, so scharf trafen seine Hiebe und so schlagkräftig waren seine Argumente! Hus weigerte sich jedoch nach wie vor, zu widerrufen, ja, er unterbrach den Ankläger immer wieder und versuchte erneut, mit der Konzilsversammlung über die Inhalte zu disputieren. Kardinal Zabarella gebot ihm mehrfach zu schweigen, doch vergebens. Ein erregter Wortwechsel ging so dem Urteil voraus, das nun nicht mehr anders lauten konnte als: Tod auf dem Scheiterhaufen. Als D’Ailly es verlesen hatte, verstummte Jan Hus endlich und bat nur noch um Vergebung für seine Feinde.
Danach traten sieben Bischöfe ins Mittelschiff, wo auf einem Tisch die Priestergewänder des Verurteilten bereitlagen. Diese wurden ihm nun angelegt und danach Stück für Stück wieder abgenommen, bis er nur noch in seinem schwarzen Rock da stand. Bei jedem Teil, das man ihm abnahm, wurde er von den Bischöfen verflucht. Als letzten Akt der Degradation nahmen sie eine Schere und zerschnitten ihm grob die Haare um die frisch rasierte Tonsur. Immerhin verzichtete man darauf, diese entwürdigende Zeremonie mit einem Messer durchzuführen, wie das sonst bei Ketzern gemacht wird, wobei regelmäßig Stücke der Kopfhaut mit abrasiert werden. Doch nun war er seines geistlichen Standes enthoben und der weltlichen Gewalt unterstellt. Man setzte ihm eine Papierkrone auf, die mit drei Teufeln bemalt war, und führte ihn aus dem Münster. Dort übergab ihn der König dem weltlichen Arm, sprich dem Konzilsvogt Ludwig von der Pfalz, der ihn wiederum dem Stadtvogt Hanns Hagen zur Vollstreckung des Urteils anheimstellte.
Die anschließende Verbrennung habe ich nicht erlebt, denn die Sitzung ging noch weiter. Man hat mir jedoch erzählt, dass die Sonne mit den Flammen um die Wette brannte, und auch die Zuschauer mit Blasen auf der Nase in die Stadt zurückkehrten. So ist das Gänslein nun also geröstet worden, und Sigismund hat eine Sorge weniger.
Doch auch der zweite Teil dieser Sessio war höchst bemerkenswert. Der König ist nämlich bestrebt, die Causa Fidei noch vor seiner Abreise nach Narbonne zu lösen, und dazu zählt auch der Fall um die Tyrannenmordartikel von Jean Petit. Dieser Konflikt zwischen Burgundern und Franzosen ist weiterhin am Schwelen. Die Burgunder haben in den vergangenen Wochen immer wieder gegen die Verurteilung der Petit’schen Schrift durch die Pariser Universität protestiert, vor allem aber dagegen, dass der Kanzler der Sorbonne, Jean Gerson, die Petit’schen Sätze verfälscht habe, damit sie dann verurteilt werden konnten. Sowohl die Deputiertenversammlung der Nationen als auch die Glaubenskommission, die im großen Saal des Augustinerklosters zu tagen pflegt, und natürlich der noch von Papst Johannes eingesetzte Ausschuss, bestehend aus den Kardinälen Orsini, Zabarella und De Challant, haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt. Den Ergebnissen all dieser Disputationen folgend, hat nun die Konzilsversammlung ihr Urteil gesprochen.
Natürlich erwarteten die Franzosen, allen voran Gerson, dass die inkriminierten Sätze zum Tyrannenmord nicht nur verurteilt, sondern deren Verfasser Jean Petit beim Namen genannt und die Burgunder damit vor aller Welt als Mörder gebrandmarkt würden.
Die Burgunder wiederum forderten, dass nicht Petit, sondern der wahre Autor der verfälschten Sätze, Gerson, genannt werde, sodass auf Petits Andenken kein Schatten falle.
Am Ende haben die Konzilsväter einen vermeintlichen Kompromiss gefunden, doch bei genauerem Hinsehen hat sich die Waagschale zugunsten der Burgunder gesenkt.
Ohne einen Urheber zu nennen, wurde folgender allgemeine Satz verurteilt: ›Jeder Tyrann kann von jedem Untertanen getötet werden, auch mithilfe eines Hinterhalts, ohne Eide zu beachten und ohne jedes richterliche Urteil‹.
Der Verurteilung dieses Satzes konnten sogar die Burgunder zustimmen, so selbstverständlich erscheint sie, und damit war der Angriff der Franzosen ins Leere gestoßen.
Nach dem Urteilsspruch sah Gerson aus, als ob er zu Stein erstarrt wäre, und der Adler Frankreichs saß mit hängenden Flügeln an seinem Platz.
Gestern Morgen hat Gerson dann in einer Predigt, die ihn wahrscheinlich seine gesamte Nachtruhe gekostet hat, auf das
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