In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
speziellen Raum eingerichtet, wo sich die Spieler treffen. Damit wir nicht zufällig einer Stadtwache über den Weg laufen!« Giovanni lachte. »Aber du würdest dich wundern, wer sich dort alles zum Spiel einfindet!«
Dann legte er freundschaftlich seinen Arm um Cunrat, und zusammen gingen sie zurück zu ihrer Unterkunft. Als Cunrat zitternd vor Kälte und überstandener Todesangst unter sein Federbett kroch, dachte er an die Geldsumme, die Giovanni ihm noch zu Lebzeiten Karolinas geliehen hatte. Sein Freund hatte ihm nicht die ganze Wahrheit gesagt.
Endlich war der Heilige Abend da. Die Menschen in Costentz warteten schon seit Tagen ungeduldig auf König Sigismund und sein Gefolge. Gespannt verfolgte man die Berichte der Boten, nun sei er in Stuttgart, dann in Rottweil und endlich, am Tag der Geburt des Herrn, in Überlingen eingetroffen. Die Stadt Costentz hatte ihm Schiffe entgegengeschickt, die Herren Kardinäle und Bischöfe und ihr Gefolge sowie die wichtigsten Vertreter der Stadt versammelten sich schon weit vor Mitternacht im Münster zur Mette, an der der König teilnehmen sollte, und die Menschen strömten zu den Gottesdiensten in den verschiedenen Kirchen der Stadt.
Cunrat und seine Genossen hatten bis spät in den Abend hinein ihr Backwerk verkauft, vor allem süße Kuchen und Zuckerwerk. Dann machten auch sie sich bereit für die Mitternachtsmette.
Giovanni und die Venezianer würden zur Kirche des Heiligen Johannes in der Niederburg gehen, »weil er mein Patron ist und weil die Frauen vom Lörlinbad auch dorthin gehen«. Cunrat hingegen machte sich auf zu den Barfüßern.
Als er die Kirche eine Stunde vor Mitternacht betrat, war sie schon brechend voll. Offensichtlich zog das Mysterienspiel der Franziskaner viele Menschen in seinen Bann. Die meisten Gläubigen trugen Kerzen, die man am Eingang um zwei Pfennige kaufen konnte, sodass der dreischiffige Raum von einem Lichtermeer erfüllt war. Die Kirche kam Cunrat ganz anders vor als an dem Tag, an dem Stephan von Landskron seine Predigt gehalten hatte, warm und friedvoll. Zu seinem Erstaunen sah er, dass im Chorraum eine Hütte aufgebaut worden war, eine Art Stall, und dass man daneben die gemalte Holzkulisse eines Bürgerhauses mit der Inschrift ›Herberge zur Guten Hoffnung‹ aufgestellt hatte, die das Chorgestühl zum Teil verdeckte. Im Stall waren bereits ein Ochse und ein Esel an die Futterkrippe gebunden und fraßen, unbeeindruckt von der fremden Umgebung und den vielen Menschen, seelenruhig ihr Heu. Als der Esel den Schwanz hob und mit lautem Furzen einen Haufen dunkler Kugeln auf den Kirchenboden fallen ließ, erhob sich ein Lachen in der Menge. Ein Bruder im braunen Habit lief rasch herbei, um den Mist mit einer Holzschaufel aufzunehmen und wegzutragen, bevor ein paar Spitzbuben auf die Idee kommen konnten, mit den Bollen eine weihnachtliche Schlacht in der Kirche auszutragen. Joseph, Maria und das Kind sowie die anderen Personen der Weihnachtserzählung waren nirgends zu sehen. Vermutlich würden sie aus der Sakristei kommen, deren Eingang sich im linken Seitenschiff neben dem Hauptchor befand.
Cunrat versuchte, in der Menge Gretli zu entdecken, aber die Frau hatte vom Kind gesprochen, also musste er wohl darauf warten, dass das Kind erscheinen würde. Er drängte sich so weit durch das Menschengewimmel, dass er in der Nähe der Sakristeitür zu stehen kam, und lehnte sich dort an die Seitenschiffwand neben einen großen Altar. So war er niemandem im Wege, aber aufgrund seiner Größe konnte er den Chorraum gut überblicken. Die Flügel des Altars standen zur Feier des Tages offen, sodass man im Inneren eine farbstrahlende Figurengruppe mit der Schutzmantelmadonna vor einem leuchtend goldenen Hintergrund bewundern konnte. Die Figuren in den beiden Flügeln waren ebenfalls geschnitzte Heilige, während die Heiligen auf den Werktagsseiten, die jetzt zur Wand zeigten, nur gemalt waren. Der Flügel, neben dem Cunrat sich platziert hatte, zeigte auf der Wandseite zwei heilige Frauen: die Heilige Katharina mit dem Rad und die Heilige Margarethe, die einen Drachen besiegte. Cunrat nahm es als gutes Zeichen.
Es schien ihm unendlich lang zu dauern, bis die Franziskaner durch eine Tür im Chorraum in feierlicher Prozession die Kirche betraten und im Chorgestühl neben und hinter den Kulissen Platz nahmen. Der Klostervorsteher begann auf Lateinisch die Messe zu singen, und die Brüder und die Gläubigen antworteten ebenfalls singend. Der Bruder,
Weitere Kostenlose Bücher