In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
ich!«
Da senkte die Frau die Stimme und sagte: »Hört zu, mich schickt Margarethe Sibenhar, ich soll Euch ausrichten, dass Ihr in der Heiligen Nacht zur Mette in die Kirche der Barfüßer kommen sollt. Sie wird da sein.«
Cunrat war wie vor den Kopf gestoßen. Er dachte zwar viel an Gretli, aber sie war für ihn schon fast ein Traumbild geworden, er hatte gar nicht mehr damit gerechnet, sie in Wirklichkeit noch einmal zu treffen.
»W… was? A… aber w… wo in d… der Kirche? W… wie finde ich s… sie?«
In der Christnacht waren die Kirchen für gewöhnlich recht voll, und jetzt während des Konzils würde es sicher ein Gedränge geben.
»Schaut nach dem Kind in der Krippe!«
Dann drehte sich die Frau um und verschwand so rasch, wie sie gekommen war. Cunrat wäre ihr gern nachgelaufen, um sie auszufragen, wo Gretli war und warum sie nicht selbst gekommen war und wie es ihr ging, aber er konnte seine Kuchen nicht im Stich lassen.
Was hatte das zu bedeuten, ›schaut nach dem Kind in der Krippe‹? Das klang fast wie die Aufforderung des Engels an die Hirten, nach Bethlehem zu gehen, aber warum sollte er, Cunrat, nach dem Kind in der Krippe schauen? Und was hatte Gretli bei den Barfüßern zu tun? War sie doch in ein Kloster geflüchtet? In ein Männerkloster? Das konnte er sich nicht vorstellen.
Doch wie auch immer, er würde Gretli wiedersehen! Das war das Einzige, was zählte!
Als er später Giovanni von dem seltsamen Gespräch berichtete, erzählte ihm der, dass es in der Barfüßerkirche an Heilig Abend eine lebende Krippe geben würde, mit Joseph und Maria und dem Jesuskind und vielen weiteren Figuren. Ein Franziskaner, der Brot bei ihm kaufen wollte, hatte davon erzählt.
Als der nächste Barfüßer vorbeikam, hielt Cunrat ihn auf, um ihn genauer auszufragen. Bereitwillig gab der Bruder Auskunft
»Das hat der Heilige Franz vor langer Zeit in Greggio eingeführt, einem Dorf in Umbrien in der Nähe von Assisi, wo er herstammte. Und hier in unserem Konvent wird diese Tradition fortgeführt!«, erläuterte er nicht ohne Stolz. »Viele Familien nehmen daran teil, und es ist eine große Ehre, wenn man die Jungfrau Maria sein darf oder der Heilige Joseph.«
»Und das K… kind?«
»Man nimmt eines der letztgeborenen Kinder, es muss ein gesunder Junge sein, nicht älter als vier Wochen. Dieses Jahr hatten wir zwei zur Auswahl, aber unser ehrwürdiger Prior hat sich für den Sohn von Heinrich Tettikover entschieden.«
Cunrat fragte sich, was Gretli mit dem Kind von Tettikover zu schaffen hatte, aber nun wusste er wenigstens, wo er sie treffen würde.
Sein wichtigstes Bestreben in den verbleibenden zwei Tagen war es, ein Geschenk für sie zu finden. Wann immer möglich strich er um die Krämerbuden, um sich Hauben und Gürtel, Schmuck und Kleider anzuschauen, aber das meiste war für seinen Beutel zu teuer.
Am Ende entschied er sich für einen kleinen Anhänger aus grünem Stein, der ihn an Gretlis leuchtendgrüne Augen erinnerte. Er hing an einem Samtband, und Cunrat stellte sich vor, dass sie ihn unter dem Gewand an ihrem Busen tragen würde. Allein der Gedanke machte ihn glücklich.
Am Tag vor Weihnachten schlug das Wetter um. Der Wind hatte gedreht und kam nun von Osten, sodass es etwas wärmer wurde, aber dafür jagte ein feuchter Sturm vom See hoch durch die Gassen der Stadt und ließ die Menschen erzittern und die Fensterläden schlagen. Da der nächste Tag viel Arbeit bringen würde, waren die Bäckergesellen an diesem Abend ungewöhnlich früh zu Bett gegangen, aber Cunrat konnte vor Aufregung und wegen des Sturmpfeifens nicht einschlafen.
Da hörte er, wie Giovanni wieder aufstand. Mochte es auch beim letzten Mal ein Traum gewesen war, diesmal war Cunrat sich sicher, dass er seinen Sinnen trauen konnte, und er wollte wissen, was seinen Freund in einer solchen Nacht bewog, das warme Bett zu verlassen und in die Stadt zu gehen.
Als Giovanni den Schuppen verlassen hatte, zog Cunrat rasch seine Stiefel an, warf den Mantel über und trat auf die Gasse. Er sah den anderen Richtung Münster gehen und folgte ihm.
Es waren nicht mehr viele Menschen unterwegs. Der Wind trieb wilde Wolken über den Himmel, die manchmal den Mond bedeckten, um ihn dann in rasendem Lauf wieder freizugeben. In solchen Momenten konnte man bis in die letzten Winkel der Gassen sehen, weil beinahe Vollmond war. Dann wurde es plötzlich wieder stockdunkel.
Entgegen den Vorschriften trugen sie beide kein Licht mit sich,
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