In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Rüpel, könnt ihr nicht besser auf euer Viehzeug aufpassen? Das Jesuskind so zu erschrecken!« Die so Gerügten mühten sich nach Kräften, ihre Tiere einzufangen, dann knieten sie sich brav vor die Heilige Familie und brachten ihre Gaben dar. Da fiel Cunrat ein, dass er ja auch eine Gabe hatte, für Gretli. Aus seinem Beutel zog er das Band mit dem grünen Steinanhänger hervor.
»Schau, das ist für dich, zum Heiligen Christ!«
Gretli sah ungläubig auf das Schmuckstück, dann zu ihm auf.
»Für mich? Aber … Cunrat, das ist wunderschön… Ich habe noch nie so ein Geschenk bekommen!«
Ihre Augen begannen heftig zu glänzen, und sie rieb sich schnäuzend mit dem Handrücken die Nase. Cunrat legte ihr den Anhänger um, und sie barg ihn unter ihrem Kleid, gerade so, wie er es sich vorgestellt hatte.
Doch da öffnete sich erneut die Tür der Sakristei, und nun kamen die Vertreter aller Zünfte, die dem Gottesknaben ihre Geschenke darbringen wollten, die Schmiede und Gerber, Bäcker und Metzger, Apotheker und Wechsler und viele andere mehr. Jeweils drei Zunftvertreter waren gekommen, sie trugen ihre Zunftstandarte mit sich und ein Geschenk, das zu ihrem Handwerk passte. Vor dem Jesuskind sagten sie einen kleinen Spruch auf, während sie ihre Gaben überbrachten, und nach jedem Spruch sang die Menge eine Strophe aus dem Weihnachtslied. Es war eine lange Prozession, die nur hin und wieder durch Lachen oder Kommentare der Gläubigen unterbrochen wurde, wenn ein besonders witziger oder seltsamer Spruch vorgetragen wurde.
Als sich vor den ersten Zünftigen die Menge teilte, drängte Gretli ganz von selbst zu Cunrat hin, und er nahm sie wieder unter seinen Mantel. Wärmend umfasste er sie mit seinen Armen, drückte sie an sich und roch ihr kastanienduftendes Haar. Vor sich sah er die kerzenerleuchtete Kirche, Maria, Joseph und das Erlöserkind, das nun allerliebst in die Runde lächelte, und er hörte die Stimmen der singenden Gemeinde. Cunrat hatte sein Paradies wieder gefunden.
*
In dieser Nacht geschah ein Wunder.
Der König kam endlich in Costentz an, und mit ihm die Königin Barbara, auf die Bärbeli so sehnsüchtig gewartet hatte, außerdem die Königin von Bosnien. Aber das war nicht das Wunder.
In der St.-Johann-Kirche sang während der Mette eine Frau mit so betörend schöner Stimme, dass alle Gläubigen überzeugt waren, ein Engel sei vom Himmel herabgestiegen, um ihnen die frohe Botschaft zu verkünden. Da verfing sich Hans Roth aus Ulm endgültig in den Fallstricken der Liebe. Aber auch das war kein Wunder.
Das Wunder war, dass der Heilige Geist über den Bäckergesellen Cunrat Wolgemut kam, in Gestalt der ehemaligen Mäntellerin Margarethe Sibenhar und ihrer Zunge, und ihn ein für alle Mal vom Stottern heilte.
*
Poggio Bracciolini an Niccolò Niccoli, am Tag des Heiligen Stephanus, im Jahre des Herrn 1414
Ich, Poggio, entbiete Dir, meinem Niccolò, einen herzlichen Gruß zum Feste des Heiligen Christ!
Nicht wenige Male schon habe ich Dir geschrieben, wie sehr ich mir das Kommen des Königs herbeigesehnt habe, damit dieses Konzil endlich beginnen könne. Nun ist er tatsächlich in Costentz eingetroffen, aber die Umstände seiner Ankunft waren solcher Art, dass ich froh gewesen wäre, wenn ich nicht hätte dabei sein müssen.
Höre nur!
Am 24. Dezember, dem Tag der Geburt unseres Herrn Jesus, hieß es endlich, der König sei mit seinem Gefolge in Überlingen, einer Stadt auf der anderen Seite des Costentzer Sees, angekommen. Also schickte ihm der hiesige Rat alle städtischen Schiffe und Schiffsleute entgegen, um ihn und die Seinen sicher über das Wasser in die Konzilsstadt zu bringen. Des Königs Schwiegervater, Graf Hermann von Cilli, führte die Flotte an.
Die Boten hatten den Papst im Namen Sigismunds ausdrücklich gebeten, mit der Weihnachtsmesse zu warten, bis auch er daran teilnehmen könne. Dies konnte Johannes ihm schlecht verweigern, ja er wartete sogar mit der Matutin, die ja der Messe vorangeht. Dennoch versammelten sich alle Kardinäle, Bischöfe, Äbte, Chorherren, Priester, Theologen und natürlich auch wir Sekretäre und Schreiber etwa eine Stunde vor Mitternacht im Münster, um bereit zu sein für den Römischen König.
Nun ist zwar in den letzten Tagen die heftige Kälte dem etwas wärmeren Ostwind gewichen, doch dessen Feuchtigkeit lässt Pelze und Mäntel klamm und die Knochen steif werden, sodass die geringere Kälte dem Körper umso beißender erscheint. Man
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