In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
zu Giovanni gewandt fügte er hinzu: »Gib mir noch eine Pastete!«
Etwas verlegen drehte sich der feine Herr um und streckte dem Wolkensteiner die Hand hin. »Poggio Bracciolini, Sekretär des Papstes Johannes! Ich freue mich, Euch kennenzulernen, Herr von Wolkenstein!«
Der andere packte die ausgestreckte Hand und schüttelte sie kräftig, was ein gequältes Lächeln bei Bracciolini hervorrief.
»Freut mich ebenfalls! Soso, Sekretär des Papstes. Ihr findet also, dass ich ein großes Herz habe. Sagen wir, ich habe ein Herz für arme Kerle, die zu Unrecht von den Pfaffen malträtiert werden.«
Bracciolini überhörte den Spott.
»Ihr sprecht gut Deutsch, Herr von Wolkenstein.«
»Mein lieber Herr Papstsekretär, Deutsch ist meine Muttersprache, aber wir Tiroler beherrschen auch die Sprache von Dante, Petrarca und Boccaccio ganz annehmlich, wie Ihr hört.«
»So kennt Ihr unsere großen Dichter?«
»Im Winter sind die Tage und Nächte lang auf einer Tiroler Burg, da hat man viel Zeit zum Lesen.«
»Ich habe gehört, Ihr seid selber ein Dichter.«
»Dichter und Spielmann, wie ich dem Vogt gesagt habe. Bezahlt mir einen Krug Wein, dann trage ich Euch vielleicht ein paar Lieder vor.« Doch dann wurde der Ausdruck von Wolkensteins Auge herablassend. »Ach, ich vergaß, dass Ihr ja kein Deutsch versteht!«
Bracciolini erwiderte pikiert: »Wenn Ihr wirklich beide Sprachen so gut beherrscht, dann könnt Ihr mir Eure Lieder ja übersetzen! So werden wir sehen, ob sich Eure Dichtung mit derjenigen der Italiener messen kann. Und auf diese Weise lerne ich womöglich auch ein wenig Deutsch.«
Da klopfte Wolkenstein dem Papstsekretär lachend auf die Schulter.
»Abgemacht! Dort drüben ist eine Weinstube. Da lasst uns anfangen mit dem Deutschstudium!«
Cunrat und Giovanni sahen den beiden neiderfüllt nach, sie mussten weiter in der Kälte ausharren, denn ihr Tagwerk war erst beendet, wenn alle Backwaren verkauft waren.
So hörten sie erst zwei Tage später wieder von dem Dichter. Es hieß, er habe vor dem versammelten Costentzer Stadtrat ein Liedchen zum Besten gegeben, das den Herren außerordentlich gefiel und rasch von allen Spielleuten in Costentz nachgespielt wurde. Und das ging so:
O wonnigliches Paradies,
zu Costentz hab ich gfunden dich!
Für alles, was ich hör, seh, lies,
mit gutem Herzen freust du mich.
Innen, außen, überall,
zu Münsterlingen, anderswo,
regiert dein adeliger Schall.
Wer möcht da jemals werden gram?
Viel Augenweid
in manchem Kleid
schlicht, zierlich, stolz,
sieht man zu Costentz prangen,
von Mündlein rot,
ohn alle Not
bin ich bedroht
von rosenroten Wangen.
Gebärd, Wort, Weise tadellos
sieht man im hügeligen Tritt
von mancher stolzen Frauen groß.
Sankt Peter lässt mich lügen nit
des Lob ich immer preisen soll
andächtiglich in meim Gebet,
denn er ist aller Ehren voll,
und wär mir leid, wer anders redt.
Viel Augenweid
in manchem Kleid
schlicht, zierlich, stolz,
sieht man zu Costentz prangen,
von Mündlein rot,
ohn alle Not
bin ich bedroht
von rosenroten Wangen.
Viel zarte, engelhafte Weib,
durchleuchtend schön, mit lichtem Glanz,
besessen haben meinen Leib,
dort in der Katzen bei dem Tanz,
die ich ja nicht vergessen will;
das macht ihr liebliche Gestalt.
Mit Ehren lustig Freudenspiel
findt man zu Costentz mannigfalt.
Viel Augenweid
in manchem Kleid
schlicht, zierlich, stolz,
sieht man zu Costentz prangen,
von Mündlein rot,
ohn alle Not
bin ich bedroht
von rosenroten Wangen.
Man erzählte, die Ratsherren seien so begeistert gewesen, dass sie Peter Froschmaul ohne weitere Auflagen freigelassen hätten. Andere Stimmen wollten hingegen wissen, dass der Wolkensteiner nicht nur das halbe Pfund Pfennig Strafe, sondern zusätzlich noch ein viertel Pfund Ablöse bezahlt habe, damit der Spielmann seine Freiheit unversehrt wieder erhielt.
Die Menschen jedoch, die am Oberen Markt um ihr blutiges Spektakel betrogen worden waren, beruhigten sich nicht so leicht. Sie strömten in die Weinschänken, und bevor es Abend war, mussten die Stadtwachen mehrere Schlägereien schlichten. Manch einer landete im Turm, und Cunrat und seine Freunde waren nicht verwundert, dass auch die Ungarn wieder in die Raufhändel verwickelt waren.
»Diese hunnischen Horden kennen keine Sitten und keine Gesetze!«, meinte Giovanni weltmännisch.
Und sie wunderten sich auch nicht, als sie am nächsten Morgen hörten, es habe einen Toten gegeben. Man habe ihn am
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