In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
die Klosterbibliothek bestückt sein!
Im Übrigen haben die Domini Canes, die Hunde des Herrn, wie sie sich selber nennen, in ihrem Eifer, die Schäflein der Kirche in einer Hürde beisammen zu halten, gerade dieser Tage einen besonders bösen Wolf erbeutet und in ihrem Kloster gefangen gesetzt, einen, den ich jedoch eher einen armen Vogel nennen würde, wie auch die Bedeutung seines Namens in seiner Muttersprache ›Gans‹ ist: Magister Johannes Hus, der ja mit Gottes und des Königs Segen hierher kam, aber schon bald vom König fallen gelassen und seinen Feinden in den Rachen geworfen wurde. So weit hat ihn seine Wahrheitsliebe geführt! Nun sitzet der arme Mann aus Böhmen hier im Inselkerker, während die Herren Kardinäle darüber beraten, was mit ihm zu tun sei. Da das Konzil wegen der Abwesenheit wichtiger Delegationen immer noch nichts Wesentliches disputieren und entscheiden kann, beschäftigt man sich also weiterhin vorwiegend mit der Wyclif-Häresie, und manche sehen in Hus geradezu die Wiedergeburt des von ihnen verteufelten Engländers. Daran ist er auch selbst nicht ganz unschuldig, denn nach seiner Ergreifung sind überall Maueranschläge voller Drohungen wegen des Vorgehens gegen Hus aufgetaucht, die den Papst und die Kardinäle schwer erzürnt haben. Aber ich schweife schon wieder ab.
Nun denn, ich begab mich also wie verabredet am Tag des Heiligen Johannes um die vierte Stunde nach Mittag ins Predigerkloster, nachdem ich vorher noch einen kleinen Schlaf gehalten hatte, um die Geister des deutschen Weines und der deutschen Lieder ein wenig zu verscheuchen. Nun musst du wissen, dass die Pfalz des Bischofs, in welcher der Herr Papst und wir als sein Gefolge residieren, auf dem höchsten Punkte der Stadt liegt (der allerdings im Vergleich zum Kapitolshügel eher von geringer Höhe ist). So musste ich durch das Viertel, das die Niedere Burg heißt, zunächst durch die Rheingasse und dann die Predigergasse hinab zur Stadtmauer gehen, die dort der Linie des Seeufers folgt. Man gelangt hernach durch das Innere Predigertor zu einer Brücke – eben die Predigerbrücke genannt – und schließlich durch das Äußere Predigertor zur Insel. Ich verweile so ausführlich bei der Beschreibung dieses Weges, weil er für die späteren Ereignisse von Bedeutung ist.
Der Erste, dem ich im Kreuzgang begegnete, war der Wolf im Schafspelz, von dem ich dir gesprochen habe, der Deutschritter und Erzbischof von Riga, Johann Wallenrode. Auf mein verwundertes Fragen gab er mir zu verstehen, dass er als Wächter des armen Gänsleins Hus auserkoren ward. So rasch als möglich verabschiedete ich mich von ihm und begab mich in Begleitung eines Klosterbruders in die Räumlichkeiten des Priors.
Dieser bereitete mir einen äußerst freundlichen Empfang, mit heißem, ordentlich gewürztem Wein, den ich trotz meiner Befürchtung, er werde mir wieder die Sinne benebeln, gerne nahm, war das Wetter doch sehr unfreundlich, mit Schneeregen und Wind, der vom See eine Kälte herüber trug, die durch jeden Mantel drang.
So saßen wir und plauderten über das Concilium und den Herrn Papst und den König (nicht jedoch über Hus), und fast schien es mir, als habe der gute Prior vergessen, dass er mir die Bibliothek zeigen wollte. Nach vielem Räuspern von meiner Seite besann er sich schließlich und führte mich zunächst in die Kirche des Klosters, deren Wände mit schönen Malereien bedeckt sind, recht ansprechend in Farben und Formen. Allerdings sind nur lange Reihen von Heiligen und deren Martyrien dargestellt, was den Betrachter auf Dauer wohl ein wenig ermüden wird. Die Kirche ist dem Heiligen Nikolaus geweiht, sodass ich dort ganz besonders deiner gedachte, zumal das Konterfei des Heiligen an der Ostwand der Kirche dem deinen nicht unähnlich war!
Dann führte mich der gute Prior, der etwas fettleibig ist, sodass er bei geringster Mühe schwer atmet, durch eine schmale Tür im Chor über eine steinerne Wendeltreppe ins erste Geschoss des Klosters. Durch eine weitere Tür gelangten wir in einen Raum, der zum See hin liegt und durch seine großen Fenster viel Licht erhält. Das Kloster muss wohl ausgestattet sein, können sie sich doch echte kleine Glasscheiben in Bleirahmen leisten.
Der typische Bibliotheksgeruch nach getrocknetem Hopfen schlug mir schon auf der Treppe entgegen (dem Herrn sei gedankt für dieses übel riechende Pflänzlein, das die Bücher vor dem Austrocknen, schlimmen Pilzen und gierigen Insekten bewahrt!), und
Weitere Kostenlose Bücher