In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Tümpfel beim Bischofsspital gefunden, erstochen mit einem ungarischen Messer, erzählte ein Italiener aus dem Gefolge des Kardinals Orsini, der drei Pasteten für den Mittagsimbiss holte. Ein anderer berichtete später, bei dem Ermordeten habe es sich um einen Gefolgsmann des Mailänder Gesandten gehandelt. Und eine Frau wusste es schließlich ganz genau: »Einer, der auch Deutsch gesprochen hat und immer übersetzen musste!«
Als er das hörte, fühlte Cunrat ein leichtes Grauen in sich hochsteigen. Der mailändische Übersetzer Ambrogio! Gemeinsam mit dem Toten hatte er am Abortloch gestanden, hatte ihn in einer verletzlichen und gleichzeitig vertraulichen Situation kennengelernt, die eine gewisse Nähe zwischen ihnen beiden geschaffen hatte. Und nun war er tot, ermordet von den Ungarn. Cunrat glaubte, den ekelhaften Gestank noch wahrzunehmen, der aus dem Loch hochgestiegen war, so wie der Gestank um den toten Tettinger noch tagelang seine Nase heimgesucht hatte. Der teuflisch stinkende Tod. Zog er ihn an? War er verflucht?
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Poggio Bracciolini an Niccolò Niccoli, am Tag des Heiligen Sylvester, im Jahre des Herrn 1414
Ich, Poggio, entbiete Dir, meinem Niccolò, einen herzlichen Gruß zum neuen Jahr!
Heute muss ich Dir einen besonders langen Brief schreiben. Ich will Dir nämlich berichten, auf welch seltsame Art das alte Jahr für mich zu Ende gegangen ist, wie ich einen lebenden Dichter kennengelernt und einen Kontrakt mit ihm geschlossen habe, wie ich voller Hoffnung das Predigerkloster allhie zu Costentz aufgesucht habe in Erwartung etwelcher Buchschätze von toten Dichtern, welch große Enttäuschung mir bereitet ward, und was für ein Missgeschick mich auf dem Heimweg ereilte.
Wie in allen Städten, so gibt es auch hier in Costentz einen großen Pranger, an dem vor wenigen Tagen, am Fest des Heiligen Johannes, ein armer kleiner Spielmann seine Zunge lassen sollte. Es war um die elfte Stunde, als der Henker sich anschickte, sein trauriges Werk zu verrichten, doch just in diesem Moment kam ein Mann des Weges, der nur über ein Auge verfügt, ansonsten aber viele Talente in sich vereint. Er nennt sich Oswald von Wolkenstein und hat seine Stammburg im Süden Tirols, nicht weit von der Bischofsstadt Brixen. Besagter Oswald steht nicht nur mit dem Schwert seinen Mann, wie man mir erzählt hat, sondern er spricht auch viele verschiedene Sprachen, weshalb der König ihn in seine Dienste genommen hat. Außerdem ist er ein Jünger Apolls, der in der deutschen Volkssprache recht unterhaltsame Lieder verfasst. Nun wirst du dich verwundert fragen, seit wann ich die deutsche Sprache beherrsche, um ein solches Urteil fällen zu können.
Ich bin noch weit davon entfernt, sie zu beherrschen, doch höre, was mir an diesem Tag widerfahren ist.
Während also noch der Verurteilte auf die Spaltung seiner Zunge wartete, verhandelte der Herr von Wolkenstein mit dem Stadtvogt, denn er war der Meinung, dass ein Spielmann seiner Zunge bedürftig sei. Am Ende stimmte der Vogt zu, die Vollstreckung des Urteils zu vertagen, damit der Casus noch einmal geprüft werden könne. Mir gefiel die Argumentation des Wolkensteiners, und so bot ich ihm an, ihn auf einen Krug Wein einzuladen. Hocherfreut stimmte er zu, und als wir in der Weinstube saßen und ich ihm einen Wein aus dem Rheinlande offerierte, da begann er seine Lieder vorzutragen. Wie nicht anders zu erwarten, verstand ich zunächst kein Wort von dem, was er sang, doch die Art, wie er die Leier spielte, und seine tiefe Bassstimme waren sehr gefällig anzuhören. Offenbar lag ihm jedoch viel an meinem Urteil über die dichterische Qualität seiner Werke, und so übersetzte er mir ein Lied um das andere, er erklärte mir einzelne Wendungen, ich half ihm, nach entsprechenden Worten im Italienischen zu suchen, und am Ende hatte ich das meiste verstanden. Viele seiner Lieder sind voller Ironie und komischer Wendungen, so, wenn er den sauren Wein dieser Gegend beschreibt oder die Hässlichkeit mancher Dirnen. Besonders gelungen sind seine Liebeslieder, die sich natürlich nicht mit denen von Catull, Horaz oder Ovid messen können, ja nicht einmal an unseren italischen Dichter Petrarca heranreichen, doch sind sie für ihre Verhältnisse reizende kleine Schöpfungen der Volksdichtung.
Als wir beim zweiten Krug Wein angelangt waren, erzählte mir der gute Dichter, dass er beabsichtige, den verurteilten Spielmann bei der nächsten Gerichtssitzung durch ein besonders schönes Lied
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