In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
über die Konzilsstadt Costentz auszulösen. Zunächst schien mir diese Idee abwegig, aber dann musste ich daran denken, aus welchen Leuten sich dieses Ratsgremium zusammensetzt: einfache Zunfthandwerker und örtliche Krämer, biedere Patrizier und geschäftige Kaufleute. Diese Versammlung mochte sich durch ein wohlgefälliges Lied über ihr Städtchen durchaus beeindrucken lassen. So ersannen wir gemeinsam Zeile für Zeile, Becher um Becher, ein reizendes Gedicht, zu dem Herr Oswald eine eingängliche Melodie komponierte.
Wie ich gehört habe, hat das Lied seinen Dienst getan und den Spielmann aus der Gefangenschaft befreit, für mich aber hatte diese Begegnung noch andere Folgen: Da unsere dichterische Zusammenarbeit so fruchtbar war und ich zum ersten Mal der deutschen Sprache etwas abgewinnen konnte, habe ich mit dem Herrn von Wolkenstein vereinbart, dass wir uns, so lange dieses Konzil andauert und wir beide hier anwesend sein müssen, regelmäßig treffen und er mir Gedichte vorträgt und übersetzt, sodass ich mich nach und nach diesem Idiom annähern kann.
Doch mit dem Vorsatz, eine barbarische Sprache zu lernen, waren dieser Tag und dieses Jahr für mich noch nicht zu Ende. Es harrte meiner noch der Besuch bei den Dominikanern.
Das Kloster der Dominikaner liegt auf einer kleinen Insel, die der Stadt Costentz vorgelagert und mit einer Brücke dem Festland verbunden ist. Vor rund 200 Jahren hat der Costentzer Bischof die Prediger in seine Stadt geholt, um dem verderbten Volk das Wort Gottes näher zu bringen, und ihnen die kleine Insel übergeben, auf der sie ihr Kloster errichteten. Aus seinen Mauern gingen viele Prediger hervor, darunter wohl der berühmteste Heinricus Suso zu nennen ist, der sich selbst als der ›Diener‹ bezeichnet in seinen Schriften, worin er mystische Visionen beschreibt. Sie sind allerdings meistenteils auch in der hiesigen Volkssprache verfasst, weshalb ich noch nicht viel davon gelesen habe. Es scheint, dass vor allem Frauen sie gern zur Lektüre nehmen, so es auch eine Sammlung von Frauen nicht weit von der Rheinbrücke gibt, die zu besagtem Orden gehören. Sie nennen sich die frommen Frauen von Zofingen. Aber ich schweife ab.
In meinem Brief vom Tage des Heiligen Stephanus hatte ich dir bereits beschrieben, wie der Römische König Sigismund in der Nacht des Weihnachtsfestes uns alle viele Stunden auf seine Ankunft hatte warten lassen wie auf das Kommen des Erlösers, wie er endlich weit nach Mitternacht in Costentz eingetroffen, sich zunächst in der Ratsstube gestärkt und dann mit seiner Gemahlin Barbara in die Bischofskirche eingezogen ist, wo er unter dem Beisein einer großen Menge von geistlichen und weltlichen Herren bei der Weihnachtsmesse dem Papst als Messdiener amtete. Nach der letzten Messe, um die elfte Stunde am Weihnachtstag, gab Papst Johannes dem ganzen versammelten Volke seinen Segen, während Prälaten, Fürsten und hochgestellte Bürger sich noch in die Pfalz begaben, um sich dort mit einem kräftigen Imbiss zu stärken. Bei dieser Gelegenheit kam ich ins Gespräch mit dem Prior des genannten Predigerklosters mit Namen Gallus Stechelin, benamst nach dem Heiligen, der in der Einöde südlich des Costentzer Sees das erste Kloster errichtet hat. Ich berichtete ihm, dass ich eben dieses Kloster bereits aufgesucht hatte, um seine Bücherschätze zu bewundern, und dabei manches Kleinod entdeckt hatte, da schien den guten Prior der Neid zu packen, und er lud mich ein, auch einmal in das Inselkloster zu kommen, um seine Bibliothek zu besichtigen. Er tat sich recht wichtig und behauptete gar, dass in der ganzen Stadt keine Bibliothek der seinen gleiche, nicht einmal die der Benediktiner auf der anderen Rheinseite, in des Petrus Haus. Du kennst mich, mein treuer Niccolò, und weißt, dass ich ein solches Angebot nicht zweimal überdenken musste, eher musste ich an mich halten, nicht sofort am nächsten Tage zu erscheinen und dadurch womöglich aufdringlich zu wirken. So vereinbarten wir meinen Besuch für den Tag des Heiligen Johannes um die vierte Stunde nach Mittag, und ich konnte es kaum erwarten, denn das Costentzer Predigerkloster beherbergt zwar kein Generalstudium wie in Köln, aber hier werden die Novizen auf das Studium vorbereitet, und dafür braucht es doch eine wohlgefüllte Bücherstube. Außerdem rühmen sich die Dominikaner allzeit ihrer Wissenschaftskenntnis, mit der sie glauben, jeder Häresie Einhalt gebieten zu können, wie reich mochte also
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