In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
städtische Pranger. Dort sollte heute eine Strafe vollzogen werden, und solche Spektakel zogen immer viele Leute an, Kundschaft also für die Bäcker. Das war der Grund gewesen, warum Giovanni ihren heutigen Standort ausgewählt hatte, dort, wo normalerweise der Holzmarkt stattfand. In der Tat begann sich der Platz schon eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung zu füllen, und Brezeln und Pasteten fanden reißenden Absatz.
Um die zehnte Stunde hörte man dumpfen Trommelschlag sich von der Marktstätte her nähern. Der Delinquent war im Anmarsch. Auf Cunrats Frage an einen der brezelkauenden Stadtwächter vom Rindportertor, warum der Übeltäter zur Prangerstrafe verurteilt worden war, flüsterte der Mann ihm verschämt ins Ohr, es handle sich bei dem zu Strafenden um einen Gotteslästerer der schlimmsten Sorte.
»Beim Fudloch der Gottesmutter hat er geschworen! Und das, wo so viele fromme Herren in der Stadt sind! Einer von diesen hat ihn angezeigt.«
Aus der Gasse Unter den Säulen tauchte nun als Erstes ein Ratsknecht mit einer Trommel auf. In langsamem Rhythmus ließ er immer wieder einen einzelnen Schlag ertönen, der dumpf von den Laubengewölben widerhallte. Dann folgte der Vogt Hanns Hagen mit einigen Stadtwachen. Hinter ihm ging ein bulliger Mann in grünem Rock und rotem Mantel. Auf dem Kopf trug er eine rote Kapuze, die sein Gesicht verdeckte. Danach führten zwei Ratsknechte den gefesselten Missetäter zur Vollstreckung der Strafe. Es handelte sich um einen der fahrenden Spielleute, die wegen des Konzils in die Stadt gekommen waren, um zur Zerstreuung der hohen Herren zwischen den Sitzungen beizutragen. Er besaß keinen Heller und konnte daher die ihm auferlegte Geldstrafe nicht bezahlen. Deshalb würde er nun an den Pranger gestellt. Als der ärmlich gekleidete Mann den Oberen Markt erreichte, begannen die Leute ihn zu beschimpfen und einige spuckten ihn an. Trotzig schaute er vor sich auf den Boden.
»Der im roten Mantel ist Egli Locher, der Henker!«, flüsterte Giovanni Cunrat zu. Egli Locher ging leicht gebückt wie einer, der eine schwere Last zu tragen hat, dabei trug er weder Schwert noch Beil mit sich, nur einen Ledersack über dem Rücken. Cunrat fragte sich, was der Henker bei einer Prangerstrafe zu suchen hatte.
Der Schandpfahl bestand aus einer hohen Säule mit überdachter Plattform auf halber Höhe. Dort hinauf musste der Verurteilte nun mit einer Leiter steigen. Einer der Ratsknechte ging ihm voraus und hielt den Strick fest, mit dem die Hände des Sünders gefesselt waren, der andere folgte ihm nach, während Hanns Hagen das Urteil verlas.
»Peter Froschmaul aus Buchhorn ist von einem ehrbaren Rat wegen freventlichen Geredes zu einer Buße von einem halben Pfund Pfennig verurteilt worden. Da er diese nicht bezahlen kann, wird er nun für eine Stunde an den Pranger gestellt. Doch weil er besonders schlimm unsere liebe Gottesmutter mit Flüchen beleidigt hat …«
Die Umstehenden begannen lauter zu murren, und ein fauler Apfel flog zu Peter Froschmaul hoch, traf aber einen der Ratsknechte, der wütend den Matsch vom Gewand streifte. Hanns Hagen hob die Hand, denn er war noch nicht fertig.
»Weil er besonders schlimm unsere liebe Gottesmutter beleidigt hat, wird er außerdem am Ende mit der Zunge an den Pfahl genagelt und muss solang ausharren, bis er sich selber losgerissen hat.«
»Neiiin!«
Peter Froschmaul schrie auf und zerrte an seinen Fesseln, aber der neben ihm stehende Wächter gab ihm einen Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht, sodass er in sich zusammensank. Die Menge applaudierte. »Richtig so!« »Gotteslästerer!« »Bindet ihn fest, das Schwein!«
Da legten ihm die beiden Knechte den Eisenring um den Hals sowie die eisernen Fußfesseln um die Knöchel. Dann stiegen sie rasch wieder die Leiter hinab, denn jetzt begann ein wahrer Schwall an Mistbollen, faulen Äpfeln und stinkenden Eiern zu dem Verurteilten hinauf zu regnen. Anfänglich duckte er sich noch vor den Geschossen, aber sie kamen von allen Seiten, und irgendwann stand er nur noch in sich gesackt da und ließ die Schmach über sich ergehen, wohl wissend, dass ihm das Schlimmste noch bevorstand. Nun verstand Cunrat auch, warum der Henker mitgekommen war: Leibesstrafen zu vollziehen war seine Sache.
»Un poveraccio, ein armer Kerl«, bemerkte der Conte, der an den Stand der venezianischen Bäcker getreten war, um eine Pastete zu kaufen. Sie hatten sich mit ihrem Tisch wohlweislich in genügendem Abstand
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