In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Fledermausbiss. Und derjenige, der ihm das erklärt hat, ist ein Jude. In der Tat sind die jüdischen Ärzte bekannt für ihre medizinische Kunst; auch ich würde eher zu einem Juden gehen, als zu einem von euren barbarischen Quacksalbern. Euer Vogt scheint ein kluger Mann zu sein. Aber was haben die Fledermäuse zu bedeuten? Gibt es hier deren so viele?«
»Und wenn der Teufel hinter allem steckt?«, fragte Cunrat schüchtern.
»Il diavolo?« Bracciolini brach in schallendes Gelächter aus, und Cunrat schämte sich vor dem gelehrten Herrn. Seine Ohren wurden rot. Keiner wollte vom Teufel hören, nicht Giovanni und nicht der Vogt und nicht einmal der Sekretär des Papstes. Aber wenn doch die Prediger immer vom Teufel sprachen? Waren sie denn alle Dummköpfe? Und auch seine Mutter hatte ihn immer vor dem Teufel gewarnt. War sie denn nicht eine kluge, fromme Frau?
Giovanni spürte, dass sein schwäbischer Freund in Glaubensnöten war und versuchte, ihm zu erklären, dass der Teufel sicher im Jenseits die Sünder strafe, aber hier auf Erden seien es doch eher Unholde aus Fleisch und Blut, die andere Menschen umbrächten. Worauf dieser ein wenig beruhigt war.
Überhaupt war Giovanni derjenige, der am meisten redete, indem er vom Deutschen ins Italienische und vom Italienischen ins Deutsche übersetzte, manchmal ein Detail weglassend, manchmal aus eigener Anschauung etwas hinzufügend. Der Papstsekretär betonte zwar mehrmals, dass er regelmäßige Lektionen mit dem Herrn von Wolkenstein abhalte, um Deutsch zu lernen, aber Cunrat hatte nicht den Eindruck, dass er allzu viel verstand. Vielleicht lag es auch an der örtlichen Mundart, die er und Giovanni sprachen. Dennoch wussten am Ende des Gesprächs alle ungefähr gleich viel. Nur wussten sie nicht recht, was sie nun damit anfangen sollten.
Der Italiener hatte noch einen Krug Elsässer bestellt, »per voi, amici!«, und nachdem auch dieser geleert war, hatten sie Folgendes beschlossen: Giovanni würde mit dem neuen Wirt der Haue , mit dem er ohnehin regelmäßig in Kontakt stand, sprechen, um herauszufinden, ob er etwas über seinen toten Vorgänger wusste. Poggio Bracciolini wollte den jüdischen Arzt aufsuchen und ihn nach den Fledermausbissen fragen, und Cunrat sollte gar nichts tun, um sich nicht weiterer Gefahr vonseiten der Obrigkeit oder des Mörders auszusetzen. Am Samstag nach dem Bad wollten sie sich um die zehnte Abendstunde in Lämblis Schänke wieder treffen.
Als sie die Wirtsstube verließen, zog der Italiener seinen Beutel, um die Rechnung zu bezahlen, doch Cunrat ließ es nicht zu. »Ich bin kein reicher Mann, aber ich will meinen Dank nicht schuldig bleiben!«
Beeindruckt ließ Bracciolini ihn gewähren, und Giovanni dachte, dass Cunrat ihm dafür in dieser Woche wohl die Rückzahlung seines Kredits schuldig bleiben würde.
Giovanni wartete nicht lang mit seinem Auftrag. Noch am selben Abend begab er sich in die Haue zum Spielen. Cunrat wachte aus tiefem Schlaf auf, als sein Freund zurückkehrte.
»Hast du etwas herausgefunden?«, wollte er wissen, aber Giovanni winkte ab. »Morgen!«, sagte er nur. Dann fiel er ins Bett neben Jacopo, zog die Decke über sich und fing fast augenblicklich an zu schnarchen.
Cunrat hingegen konnte nicht mehr einschlafen. Die Nachtdämonen suchten ihn heim, alle schrecklichen Dinge, die in den letzten Wochen geschehen waren, drängten sich ihm auf, angefangen bei seinen Nächten mit Bärbeli, eine Erinnerung, die ihn gegen seinen Willen erregte, über den Anblick all der Toten bis zu seiner Nacht im Turm und Hanns Hagens drohenden Worten zum Abschied. Wie Mahlsteine wälzten sich die schweren Gedanken in seinem Kopf um und um. Hätte er doch nicht alles erzählen sollen? Einem wildfremden Menschen, einem Welschen? Was, wenn der zu Hanns Hagen ging und ihn verriet? Er stöhnte und warf sich hin und her, bis er plötzlich Gretlis grüne Augen und ihr lächelndes Gesicht mit den kleinen Grübchen vor sich sah. Er glaubte, ihren schmalen Körper in seinen Armen zu spüren, da erfasste ihn eine große Sehnsucht, und er fiel endlich in wohligen Schlaf.
Am nächsten Morgen wies Giovanni die drei Italiener an, schon mit den Backarbeiten zu beginnen, er selbst habe mit Cunrat noch etwas zu erledigen. Sie maulten, weil es schon der zweite Tag war, an dem sie ohne die beiden anfangen mussten, aber Giovanni beachtete ihr Murren nicht. Er zog Cunrat mit sich zum Oberen Markt und in die Rindportergasse, bis sie an der Ecke
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