In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
hast du denn angestellt? Zu leichte Brote gebacken?«
Alle lachten, und Cunrat und Giovanni lachten mit und prosteten ihnen zu.
»Eine Verwechslung«, erklärte rasch Giovanni, »nur eine Verwechslung! Aber meinem Freund haben die Ratsstube und der Turm so gut gefallen, dass er sich bei der Stadt melden und Turmwächter werden will!«
Nun lachten die Wachen noch mehr. »Der will Turmwächter werden? Bei der Größe sieht ihn der Feind doch schon von Weitem!« »So große Rüstungen haben wir gar nicht!« »Da muss er ja gar nicht erst auf den Turm steigen, sondern kann von unten Ausschau halten. Er sieht ja auch so über die Mauer hinweg!«
Geduldig ertrug Cunrat ihren Spott. Dann brachte der Wirt den Männern eine große Platte mit Fleisch und Brot, und das Gelächter verstummte zugunsten lauten Schmatzens. Giovanni stieß ihn wieder mit dem Stiefel an, und Cunrat verstand, dass er jetzt seine Fragen stellen musste, während sie in Ruhe speisten.
»Ich möchte wirklich gern Turmwächter werden«, sagte er mit Unschuldsmiene, als ob das Wachestehen bei Wind und Wetter für ein paar Pfennige Sold schon immer sein Traum gewesen wäre. »Wie viele Wächter gibt es denn? Was muss man da alles tun? Wie lang dauern die Dienste?«
Zwischen zwei Schmatzern erklärte ihm nun der neben ihm sitzende Mann, dass es 15 Gassenwächter und 13 Turmwächter gebe, die in der Nacht über die Sicherheit der Stadt wachten.
»Dann ist gar nicht auf jedem Turm einer?«
»Nein, auf dem ganzen Mauerring sind es 13. Der Türme sind 26, sodass auf jeden zweiten Turm ein Wächter kommt. Der muss dann seinen Abschnitt kontrollieren.«
»Und kann man weit sehen von dort oben?«, fragte Cunrat verträumt. »Sieht man bis ans andere Seeufer? Nach Meersburg? Und Weißenau?«
»Ah, da hat einer Heimweh!«, antwortete der Wächter gutmütig. »Nein, mein Freund, nach Meersburg und Weißenau sieht man nicht, da ist der Bodanrück dazwischen und das Horn, aber gen Westen, da sieht man im Sommer abends den Untersee, und wenn es klar ist, den Hegau mit seinen spitzen Bergen und den Burgen darauf. Und man kann die Kirchen auf der Insel Richenow erkennen. Aber wenn du noch weiter sehen möchtest, dann musst du bei Tag hoch auf den Wendelstein steigen, den Glockenturm beim Münster, zu Marti Kumpfli, dem Tagwächter, der dort wohnt.«
Cunrat dachte für einen Moment, dass es vielleicht tatsächlich schön wäre, ein Turmwächter zu sein und über die Gegend schauen zu können, oder sogar ein Tagwächter auf dem Wendelstein.
Aber dann besann er sich auf die Nacht, in der Karolina gestorben war, und überlegte, wie er den Wächter unauffällig dazu befragen konnte. Schließlich kam ihm eine Idee.
»Und ist euer Beruf auch gefährlich? Ich meine, außer bei Angriffen? Passiert es oft, dass jemand von der Mauer fällt?«
»Du meinst, so wie neulich die Tettingerin?«
Giovanni unterbrach sein eigenes Gespräch mit dem neben ihm sitzenden Wächter und horchte auf.
»Ja, die Tettingerin«, fuhr Cunrat fort. »Wie konnte das überhaupt passieren? Ich meine, dass sie zum Emmishofertor gekommen ist, ohne dass eine von den Wachen sie gesehen hat?«
Der Wächter wurde plötzlich vorsichtig. »Tja, das haben wir uns auch schon gefragt. Da drüben, der Andres Öchsli, der hatte Dienst auf dem Rindportertor an dem Abend, vielleicht weiß er ja mehr.«
Der so Angesprochene hob abwehrend die Arme. »Ich habe nichts gehört und nichts gesehen. Wenn du mich fragst, war sie eine Hexe und hat uns Turmwächter mit einem Bann belegt.«
»Ich verstehe, und so konnte niemand sie hindern zu springen, weil keiner etwas bemerkt hat.«
»Eben, da hat uns der Teufel ein Schnippchen geschlagen.«
Cunrat sah Giovanni an und zuckte die Schultern. Es war nicht seine Schuld, dass auch die Stadtwachen an das Wirken des Teufels glaubten.
»Sagt, und ist den Wachen an dem Abend kein besonderer, teuflischer Geruch aufgefallen?«, wagte er zu fragen.
Der erste Mann lachte. »An der Stadtmauer? Wo die ganzen Aborte der angrenzenden Häuser hingehen? Und die Schweineställe? Da stinkt’s überall.«
Doch nun mischte sich Andres Öchsli wieder ein.
»Jetzt wo du es sagst, fällt mir ein, dass es tatsächlich besonders gestunken hat, und zwar in dem Durchgang auf dem Rindportertor. Ich hab noch gedacht, dass das Wetter wohl umschlagen muss, wenn es hier so stinkt.«
Cunrat bekam eine Gänsehaut. Er hatte nur aufs Geratewohl nach dem Gestank gefragt, aber nun glaubte er ihn
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