In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
zwischen der Haue und dem Rindportertor standen. Dann zeigte er hoch zum Tor. Über dem Torbogen sprang die Wand des Turms über zwei Geschosse einen halben Meter vor und öffnete sich auf jedem Stockwerk in vier Fenstern zur Stadt hin. Das Tor unterbrach den Wehrgang, der rechts und links davon an der Stadtmauer weiterlief.
»Schau, der Wehrgang verläuft durch das Tor. Und dort, rechts vom Tor, gibt es eine Verbindung zwischen dem Gang und dem oberen Stock der Haue !«
Giovanni hatte recht. Das Gasthaus, das dicht an die Mauer gebaut war, besaß vier Stockwerke, in denen die Fremdenzimmer untergebracht waren. Im zweiten Stock befand sich zwischen Haus und Stadtmauer, genau auf der Höhe des hölzernen Wehrgangs, eine Art geschlossener Brücke. Cunrat hatte nie darauf geachtet, oder den kleinen Anbau für einen Abtritt gehalten.
»Von hier aus könnte Karolina auf die Mauer gelangt sein«, mutmaßte Giovanni.
»Und ist dann die ganze Mauer entlanggelaufen bis zum Emmishofertor?«
»Vielleicht ist sie vor ihrem Mörder geflüchtet!«
»Du meinst, er kam auch aus der Haue ?«
»Womöglich. Warum hätte sie sonst nachts auf die Mauer steigen sollen?«
»Das bedeutet, Karolina hat ihren Mörder in der Haue getroffen, sie ist über den Verbindungsgang zur Stadtmauer gelaufen und hat so versucht, vor ihm zu flüchten.«
»Und er ist ihr nachgerannt und hat sie beim Emmishofertor schließlich eingeholt.«
»Aber wie konnte sie durch das Tor gelangen, ohne dass der Turmwächter sie gesehen hat?«
»Das ist eine gute Frage, mein lieber Cunrat. Du kanntest doch einen von denen, die sie gefunden haben. Könntest du ihn nicht mal ansprechen? Vielleicht hatten die ja gerade wieder Besseres zu tun, als ihren Dienst zu versehen.«
»Und du meinst, das würden sie mir erzählen?«
»Du musst halt vorsichtig fragen. Wie denn ihre Arbeit so ist, ob sie streng ist und wer wann wo und wie lang Dienst tun muss. Du kannst ja sagen, dass du überlegst, dich auch bei den Stadtwachen zu verpflichten, was weiß ich. Denk dir was aus. Heute Abend gehen wir in die Haue .«
»Ob Sebolt Schopper etwas mit all dem zu tun hat?«
»Ich hab ihn gefragt wegen dieses Verbindungsgangs, aber er behauptet, er wisse nicht, wo die Tür sei. Er habe die Brücke auch nur von außen gesehen, aber im Inneren keinen Zugang gefunden. Wahrscheinlich sei er zugemauert.«
»Glaubst du das?«
»Nein. Aber ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass er der Mörder ist.«
»Oder willst du es nicht glauben, damit du weiterhin deine Spielchen machen kannst?«
Der Venezianer wurde ärgerlich.
»Darum geht es nicht. Überleg doch mal, Cunrat, selbst wenn Schopper die Tettingers umgebracht hätte, warum sollte er den Mailänder töten? Und der Vogt scheint ja anzunehmen, dass alle dem gleichen Mörder zum Opfer gefallen sind.«
»Vielleicht hat Ambrogio ja etwas entdeckt in der Schänke, was dem Wirt nicht passte? Ein Spielzimmer zum Beispiel?«
»Ach was, dann hätte er ihn höchstens eingeladen, mitzuspielen. Außerdem sieht man dem Raum nicht an, dass er zu gewissen Zeiten besonderen Zwecken dient. Nein nein, der Schopper hat mit den Morden nichts zu tun, glaub mir! Aber er ist ein Gauner, und ich traue ihm trotzdem nicht. Einweihen können wir ihn nicht. Deshalb will ich heute Abend mal nachschauen, ob wir den Zugang nicht doch finden, aber ohne sein Wissen. Und du kommst mit.«
Sebolt Schopper begrüßte Giovanni verhalten und brachte ihnen Eintopf und Wein, wie sie es bestellt hatten. Die zwei Bäckergesellen hatten sich in die Nähe des Kamins gesetzt, an den Tisch, an dem sich häufig die Stadtwachen zum Essen trafen, bevor sie ihren Nachtdienst antraten. Die beiden waren besonders früh erschienen, um hier noch Platz zu finden.
»Er will nicht, dass man merkt, dass wir uns näher kennen!«, erklärte Giovanni die Zurückhaltung des Wirts. »So ein Dummkopf! Damit macht er sich erst recht verdächtig.«
Sie aßen und tranken, während immer mehr Menschen hereinströmten. Die meisten setzten sich möglichst nahe ans wärmende Feuer. Schließlich kamen auch ein paar Wächter und nahmen wie erwartet am Tisch der beiden Gesellen Platz. Derjenige, der Karolina gefunden hatte, war zwar nicht dabei, aber auch die anderen waren regelmäßig Gast in der Haue , und einer von ihnen begrüßte den Bäckergesellen mit einem »Hoi, langer Lulatsch, sieht man dich auch wieder einmal!«
Ein anderer rief: »Hat der Vogt dich wieder laufen lassen? Was
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